Reviews
Ballistic, Sadistic
Info
Musikrichtung:
Thrash Metal
VÖ: 24.01.2020 (Silver Lining Music / Warner) Gesamtspielzeit: 51:00 Internet: annihilatormetal.com facebook.com/annihilatorband twitter.com/annihilatorband instagram.com/annihilatormetal |
Mein Gitarristen-Feature geht weiter: Der Kanadier Jeff Waters gehört zu den Saiten-Künstlern, die außergewöhnliche Spieltechniken (die für meine Ohren manchmal Richtung Akira Takasaki von Loudness gehen) mit einem mindestens ebenso außergewöhnlichen Gespür für Melodien zu verbinden vermögen. Ein weiteres signifikantes Merkmal sind seine Riffs; daran erkennt man ihn sofort.
Doch nicht nur deshalb war sein Lebenswerk Annihilator schon immer eine besondere Band. Ein Grund dafür ist Waters´ Gabe, Songs zu schreiben, die mit ihren raffinierten Wendungen, irren Takt- und Tempowechseln in Verbindung mit eben jenen Melodien – die man oft erst als solche erkennt, wenn sie ihre Wirkung bereits entfaltet haben – ihre Musik auch für Leute, die sonst keinen Thrash Metal hören, äußerst reizvoll macht.
Lange Zeit waren bei Annihilator Jeff Waters und der stetige Wandel die einzigen Konstanten. Jeff Waters schreibt seit jeher alle Songs komplett selbst und spielt bis auf das Schlagzeug auch alles selbst ein. Deshalb ist es bemerkenswert, dass Ballistic, Sadistic das zweite Album in unveränderter Besetzung ist: weil es nicht oft vorkommt.
Beispielsweise ist der Opener “Armed To The Teeth“ zwar kein „Alison Hell“ oder „The Fun Palace“, aber von den Riffs und der prächtigen Soloarbeit her einfach ein Genuss! Vor allem ist die Nummer wie die ganze Platte ungeheuer energetisch. Da will man selbst Songs, die qualitativ nicht auf Topniveau sind, immer wieder hören! Man registriert: „Ein Highlight ist der Song nicht“, aber ist es einem egal, weil alles packend gezockt wird und einen einfach mitreißt. Wie etwa “The End Of The Lie“, bei dem ich besonders Fabio Alessandrinis hackende Drums genieße. Oder das harte “I Am Warfare“, das nach einem Waters-typischen Wechsel in eine geschmeidige Gitarrenpassage übergeht.
„Waters-typisch“ heißt allerdings auch, dass sich der Maestro mit beiden Händen in seinem eigenen Fundus bedient. Das ist völlig legitim, denn so spielt und klingt kein anderer. Man höre sich nur einmal die unvermittelt auftauchende ruhige Einlage in “One Wrong Move“ an. Wer außer Waters kommt auf so etwas? Bei 17 Studio-Alben lassen sich Anklänge an frühere Arbeiten wohl auch gar nicht vermeiden.
Unverständlich wird es dann, wenn Jeff Waters „sich bedienen“ steigert und gehörig bei sich selbst klaut. Hier kommt „Knight Jumps Queen“ vom dritten Album Set The World On Fire ins Spiel. Daran hat Waters offensichtlich einen extra großen Narren gefressen, denn auf dem letzten Album For The Demented klang The Demon You Know bereits wie eine andere Fassung oder Fortsetzung dieses Songs. „Dreist“ nannte das der Kollege Karl völlig zu Recht. Aber man sollte es nicht glauben, das aktuelle “Lip Service“ ist noch krasser! Das ist „Knight Jumps Queen“ mit einem anderen Text! Ansonsten ist bis hin zur Betonung ALLES exakt identisch! Wenn man beide Songs aufeinander legen würde, wären sie deckungsgleich!!
Das strahlt sogar eine Art von Faszination aus, aber das Ärgerliche ist, dass dadurch die vielen richtig guten Nummern in gewisser Weise geschwächt werden. Und das haben ein “Out With The Garbage“, das mit krank-genialer Gitarrenarbeit und Vocals im Stile von Dave Mustaine in Richtung Megadeth brettert, mein Anspieltipp “Dressed Up For Evil“ (starke Melodie, starker Refrain und diese Gitarre!) oder der melodiöse und trotzdem knallharte Rausschmeißer “That´s Life“ nicht verdient!
Für Waters ist Ballistic, Sadistic die beste Annihilator seit Schizo Deluxe, also immerhin seit 15 Jahren. Ob man diese Ansicht teilt oder nicht, das neue Langeisen ist aufgrund seiner größeren Energie zumindest For The Demented überlegen. 16 Punkte müssen es in jedem Fall sein. Wer selbst Gitarre spielt, packt eventuell sogar noch einen Zähler drauf.
Michael Schübeler
Trackliste
1 | Armed To The Teeth | 4:26 |
2 | The Attitude | 4:01 |
3 | I Am Warfare | 4:47 |
4 | Out With The Garbage | 4:27 |
5 | Dressed Up For Evil | 4:41 |
6 | Riot | 3:46 |
7 | One Wrong Move | 4:36 |
8 | Lip Service | 5:48 |
9 | The End Of The Lie | 4:16 |
10 | That´s Life | 5:33 |
Besetzung
Aaron Homma (Guitar)
Rich Hinks (Bass)
Fabio Alessandrini (Drums)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |