Reviews
Path Of Tonality
Info
Musikrichtung:
Modern Jazz-Fusion/Avantgarde
VÖ: 08.02.2019 (Whirlwind Records) Gesamtspielzeit: 80:43 Internet: https://www.quinsin.com/ https://www.whirlwindrecordings.com/ http://uk-promotion.net/ |
Der in New York lebende und aus Toronto stammende kanadische Jazz-Saxofonist Quinsin Nachoff hat mit der Veröffentlichung dieser Doppel-CD, Path Of Tonality, eine klare Absicht verfolgt. Es handelt sich um eine Vertonung einer übergreifenden Inspiration des Komponisten aus der totalen Sonnenfinsternis im Jahre 2017. Unter anderem geht es um die Erinnerung an die sichere Ausstrahlung des Lichts aus der vorübergehenden Dunkelheit. Hierbei werden auch aktuelle politische und umweltpolitische Situationen mit einbezogen.
In sechs zumeist längeren Songs sind so entsprechende Erzählungen entstanden, die er zusammen mit der hervorragend besetzten Band Flux eingespielt hat. Dabei ist ein sehr umfassender Farbenreichtum entstanden, Musik, die sowohl aus der moderneren Jazzgeschichte als auch der Klassik schöpft. Interessant ist auf jeden Fall die Doppelbesetzung an Saxofon und Schlagzeug. Die Wörter Entdeckung und Kreativität werden bei der Gestaltung groß geschrieben, unermüdlich treibt man sich voran, stets findet ein Fluss von Neugestaltung statt, ohne dass ein Musiker vorrangig in den Vordergrund gestellt wird. Denn es genügt nicht, dem/den jeweiligen Solisten zu lauschen, denn auch im Hintergrund wird mitgestaltet.
Die längeren Stücke schaffen viel Raum für Improvisation und Spontaneität, und damit werden Spannungsbögen aufgebaut, die dazu anregen, am Ball zu bleiben. Entsprechend ist der Aufbau, mal strukturierter, mal freier und improvisierter, auch frei fließende Flächen bestimmen oft die Atmosphäre. Dann finde ich mich gedanklich ein wenig in die Sechziger zurückversetzt, ein gelegentlicher Hauch John Coltrane inbegriffen, als dieser seine spirituelle und frei gestaltete Entwicklung vorantrieb.
Auch folkloristische Einflüsse werden einbezogen, auf dem von John Cage inspirierten “Toy Piano Meditation“ gibt es entsprechend fernöstliche Klangstrukturen. Dadurch ergibt sich eine mitunter tranceartige, fremdartige und meditative Stimmung, die im Grunde genommen wie eine Jazz-Ballade wirkt, die mit Weltmusik fusioniert zu einem bezaubernden Hörerlebnis. Auf jeden Fall ist dieser Song für mich der emotionale Höhepunkt der ersten CD.
Mit dem “March Macabre“ startet die zweite Runde, Mitgestalter des ungewöhnlich und für Hörer/innen mit „normalen“ Hörgewohnheiten sicher nicht leicht konsumierbaren Sounds ist dieses Mal ein Steptänzer. Doch spätestens, als sein Schritt verstummt, befreien sich beide Bläser mit frei gestaltetem Spiel. Doch immer wieder zwischendurch ist es Orlando Hernández, der den Marschrhythmus zurückholt, im Gleichschritt sozusagen. Das Ganze wirkt sehr skurril und sehr ungewöhnlich, eine wahrhaft neue Idee als Gestaltungsmuster.
Ideen sind es überhaupt, von der die Musik dieser Veröffentlichung lebt, sei es eben dieser Stepptänzer, ein Harmonium, ein Spinett oder tibetanische Perkussionsinstrumente, die sich soundgestaltend einmischen in diesen Breitband-Kosmos von Gestaltungsreichtum, das ist in der Tat etwas, was neu erscheint, obwohl man nicht vergessen sollte, dass es auch hier zu Assoziationen führen kann hinsichtlich der mitunter skurril anmutenden Ausführung, Beispiele dafür: das Willem Breuker Kollektief oder Carla Bley mit “Escalator Over The Hill“.
Meist ist die Musik sehr fordernd, und wer sich darauf einlässt, kann gefesselt sein und mitgerissen von der Fülle der Ideen. Eine vielleicht wegweisende Veröffentlichung!
Trackliste
1 Path of Totality (6:36)
2 Bounce (19:18)
3 Toy Piano Meditation (19:24)
Disc 2:
1 March Macabre (14:12)
2 Splatter (13:22)
3 Orbital Resonances (8:10)
Besetzung
Quinsin Nachoff (tenor saxophone, soprano saxophone)
Matt Mitchell (piano, Prophet 6, modular synthesizer, Novachord, harpsichord, Estey pump harmonium)
Kenny Wollesen (drums, Wollesonic percussion -#1, 3, 4, 6)
Nate Wood drums - #1, 2, 5, 6)
Jason Barnsley (1924 Kimball Theatre Organ – CD 1, #2)
Mark Duggan (marimba, vibraphone, glockenspiel, crotales, Tibetan singing bowls – CD 1, #3)
Carl Maraghi (baritone saxophone, bass clarinet – CD 2, #1)
Dan Urness, Matt Holman (trumpets - CD 2, #1)
Ryan Keberle (trombones - CD 2, #1)
Alan Ferber (trombone, bass trombone - CD 2, #1)
Orlando Hernández (tap dance - CD 2, #1)
David Travers-Smith (Buchla 200E analog modular system, EMS Synthi 100 analog/digital hybrid synthesizer, Arp Chroma (Rhodes) analog synthesizer, clavioline, Oberheim SEM, modular Moog – CD 2, #2)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |