Reviews
Paris, Lisboa
Info
Musikrichtung:
Pop-Jazz-Chanson
VÖ: 29.03.2019 (Warner Music) Gesamtspielzeit: 43:03 Internet: https://de-de.facebook.com/salvadorsobralmusic/ https://www.warnermusic.de/ https://www.chateau-du-pop.de/ |
Ich muss gestehen, ich verfolge seit vielen Jahren regelmäßig den European Song Contest (ESC). Grundsätzlich bin ich kein Freund der dort gebotenen Musik. Nur manchmal schleicht sich etwas ein, was mich dann aufhorchen lässt. 2013 waren es die Niederlande mit Anouk (“Birds“), 2014 erneut die Niederlänger mit The Common LInnets (“Calm After The Storm“) und 2017 zum Beispiel begeisterte mich ein Song eines mir bisher unbekannten portugiesischen Musikers, das war Salvador Sobral mit "Amar pelos dois". Dieses Lied hob sich für mich ab von der meist auch noch sehr miesen Qualität vieler Titel, und so war es für mich eine riesige Überraschung, als Sobral damit auch noch gewann.
Der Künstler wurde am 28.Dezember 1989 in Lissabon geboren. Musikalisch entwickelte er sich rasch durch sein Interesse am Jazz, studierte diese Musikrichtung auch und frühe Aufnahmen waren beeinflusst von Chet Baker, lateinamerikanischer Musik und Bossa Nova. Im Jahre 2016 erschien das Debüt-Album, “Excuse Me“. Auch dort waren noch eindeutige Spuren von Jazz zu vernehmen, sehr bewegend war die Version von “Autumn in New York“. Sobral faszinierte hier bereits mit seiner sehr außergewöhnlichen Stimme, mit einer Mischung aus Zurückhaltung, Vorwärtspreschen, gedehnten Worten und sehr elastischer Ausprägung in der Phrasierung, die Stimme von hoch bis tief einsetzend.
Und nun gibt es das Album Paris, Lisboa. Nach eigenen Angaben von Sobral handelt es sich um eine Hommage an meinen absoluten Lieblingsfilm. Ich liebe einfach, wie es in dem Streifen um eine konstante Suche geht, immer auf der Spur von etwas, aber nie genau wissend von was. Mit der Musik ist es das Gleiche: Ich halte immer nach etwas Ausschau, suche und forsche.. Gemeint ist damit der Film von Wim Wenders, “Paris, Texas“. Desweiteren bezieht sich der Albumtitel auf das Pendeln zwischen Paris und Lissabon während der Aufnahmen zu der Platte. Alle Texte sind als Booklet beigefügt, doch sollte man der jeweiligen Sprache mächtig sein, unter den portugiesischen Titeln finden sich jeweils einer in englischer, spanischer und französisch gesungener Sprache.
Allen gemein ist jedoch diese großartige Dramatik im Ausdruck. Viel Kraft wird selbst in ruhigen Momenten geboten, letztlich ist diese Musik sehr ungewöhnlich und nicht einzuordnen in gängige Schemata. Viele werden sie vielleicht (und hoffentlich) kennen, diese bewegende, berührende ruhige Melancholie des Gewinnersongs des ESC. Vor allem waren es die Streicher, die den Song im wahrsten Sinne des Wortes in seiner Wucht unterstrichen. Diese Streicher finden wir auf Paris, Lisboa nur zwei Mal, auf den Titeln “Grandes Ilusiones“ und “La Souffleuse“. Sie stellen jedoch keine Kopie oder Annäherung an "Amar pelos dois" dar, sondern wirken jeweils sehr eigenständig. “La Souffleuse“ in Französisch besitzt entsprechend einen typischen Charme französischen Chansons. Hier wie auch auf allen anderen Songs ist es erneut faszinierend, wie Sobral so zart und feinfühlig und gleichzeitig enorm ausdrucksstark mit seiner Stimme umgeht. Das Ziehen und Dehnen der Stimme bringt in in die Nähe solcher großartiger Künstler wie zum Beispiel Billie Holiday, die ihre Stimme wie Sobral sehr einfühlsam wie ein Instrument einsetzte.
Und so fällt es wirklich schwer, einen Höhepunkt aus der an Höhepunkten reichen Platte herauszupicken. Hier muss man sich fallenlassen, hier muss man sich Zeit nehmen, Zeit zur Muße, um diese zarte Atmosphäre genießen zu können. Diese dezente Mischung aus Pop, Chanson und Vokal-Jazz ist dieses Erachtens und meines Wissens wohl einzigartig, so dass dem Mann ein Album von höchster Qualität und Individualität gelungen ist. Schön, dass er wieder da ist, und ich freue mich auf weitere Platten auf diesem Niveau!
Salvador Sabrol scheint wieder mitten im Leben zu stehen, auf der Straße des Lebens, wie das Plattencover verlauten lassen könnte, und auf der Rückseite könnte seine Schwester zu sehen sein, auf der gleichen Straße, ihm also stets zur Seite stehend.
Trackliste
2 Presságio
3 Cerca Del Mar
4 Ela Disse-me Assim
5 Playing With The Wind
6 Prometo Não Prometer (com Luisa Sobral)
7 Benjamin
8 Grandes Ilusiones
9 Mano A Mano (reprise com António Zambujo)
10 La Souffleuse
11 Paris, Tokyo II
12 Anda Estragar-me Os Planos
Besetzung
Júlio Resende (piano)
André Rosinha (contrabaixo)
Bruno Pedroso (bacteria)
Joel Silva (vozes - #1, 12, percussões - #11, 12)
Ricardo Toscano (clarinete - #3)
Luísa Sobral (voz - #6)
Eduardo Raón (harpa - #6)
Javier Galiana (arranjo - #8)
Ana Pereira (violino - #8, 10)
Filipa Serrão (violino - #8, 10)
Joana Cipriano (viola - #8, 10)
Ana Cláudia Serrão (violoncello - #8, 10)
Daniel Bernardes (piano, arranjo - #10)
Jenna Thiam (vozes - #10)
André Santos (rajão - #12)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |