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La Guerre des Te Deum
Info
Musikrichtung:
Barock
VÖ: 05.04.2019 (Chateau de Versailles / Note 1 / CD / 2018, live / Best. Nr. CVS007) Gesamtspielzeit: 66:38 Internet: Stradivaria |
KLEINKRIEG
Dass es 1745 am französischen Hof zu einem wahren musikalischen Kleinkrieg kam, erklärt sich womöglich weniger mit dem steten Intrigenspiel oder den unterschiedlichen musikalischen Geschmäckern dort, sondern eher mit dem Zustand der Ehe zwischen Ludwig XV. und seiner Gemahlin Maria Leszczynska. Diese musste 1745 nämlich einmal mehr ertragen, dass der König sich einer neuen Mätresse zuwandte und dieser als Madame Pompadour sogar sehr bald Titel und offizielle Stellung bei Hof verschaffte. So mag der Zwist zwischen dem surintendant de musique Francois Colin de Blamont (1690-1760) und seinem jüngeren Rivalen Esprit Joseph Antoine Blanchard (1696-1770) wie so viele Kriege der Weltgeschichte eher ein Stellvertreterkrieg gewesen sein. Als es nämlich im Mai 1745 galt, den Sieg Frankreichs in der Schlacht von Fontenoy zu feiern, hätte die Ehre, das Te Deum beizusteuern, eigentlich Blamont zugestanden, der seit vielen Jahren in der Gunst des Königs stand. Blanchard aber gab geschwind seine Komposition an die Musiker aus und die Musik setzte in Anwesenheit der Königin ein, bevor Blamont intervenieren konnte. Dieser beschwerte sich nachfolgend bitterlich per Brief beim Herzog von Richelieu, der Blanchard im Namen des Königs rügte und anordnete, der weitere Sieg nach der Belagerung von Tournai möge mit der Musik Blamonts gewürdigt werden. Diese wurde dann auch aufgeführt, doch die Königin sorgte dafür, dass dies in der Messfeier des (abwesenden) Königs erfolgte, während in ihrer eigenen Messfeier erneut das Te Deum Blanchards erklang – das sich damit letztlich etablierte.
Der Dirigent Daniel Cuiller sorgt nun dafür, dass dieser skurrile Te Deum-Krieg eine Reinszenierung erfährt und jeder selbst entscheiden kann, welcher Vertonung er den Vorzug geben möchte. Beide Kompositionen sind nicht nur opulent besetzt, sie wissen sich auch gleichermaßen der Tradition Charpentiers und Delalandes verpflichtet, wenngleich sie in den Gesangssoli zeitgemäß stärker dem galanten Stil zuneigen. Blamonts Komposition fällt dramatisch-expressiver, auch kriegerisch prachtvoller, trompeten- und paukenlastiger aus. Blanchards Werk ist dafür etwas differenzierter in der Textausdeutung. Im Großen und Ganzen aber handelt es sich um echte musikalische Geschwister von gleichem Rang und gleicher Qualität, die zudem mit manch originellem Einfall und ungewohnten Effekt (Blamont) durchaus zu überraschen vermögen.
Cuiller, sein Ensemble Stradivaria und der Choeur Marguerite Louise lassen die Farbigkeit der Musik in aller Herrlichkeit strahlen. Es wird mit viel Emphase und Schwung gesungen und musiziert, raumfüllend und dennoch gut durchhörbar. Ein, zwei Wackler in den Sopran-Soli des Blanchard-Stücks verzeiht man da gerne, dürften sie doch dem anosnsten sehr positiven, lebendigen Charakter der Aufnahme als Live-Mitschnitt geschuldet sein.
Sven Kerkhoff
Trackliste
13-26 Blamont: Te Deum
Besetzung
Sebastian Monti, Romain Champion: Haute-Contre
Cyril Costanzo: Bassbariton
Choeur Marguerite Louise
Ensemble Stradivaria
Daniel Cuiller: Ltg.
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |