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Reviews

Riot

Thundersteel


Info

Musikrichtung: Speed Metal

VÖ: 2015 (1988)

(Metal Blade )

Gesamtspielzeit: 46:20

Internet:

http://www.metalblade.de
http://www.areyoureadytoriot.com

Nach dem Born In America-Album war für Riot der Ofen zunächst ausgegangen, die Bandmitglieder zerstreuten sich anno 1984 in alle Winde, und Mark Reale versuchte in Texas unter dem Namen Narita eine neue Band aufzubauen. Es blieb beim Versuch – aber dann organisierte der ehemalige Drummer Sandy Slavin einige Riot-Reunion-Shows an der US-Westküste, die letztlich mit Rhett Forrester am Gesang und dem Narita-Bassisten Don Van Stavern durchgezogen wurden. (Wer hat da eigentlich zweite Gitarre gespielt? Die dem Rezensenten bekannten Quellen schweigen dazu.) Diese Gigs waren erfolgreich genug, um Mark Reale dazu zu bewegen, noch einmal einen neuen Anlauf zu wagen. Mit Forrester wurde man sich geschäftlich nicht handelseinig, der Jag-Panzer-seitig gerade arbeitslose Harry „Tyrant“ Conklin war der Fama nach vom Riot-Management vergrault worden, und so gelangte letztlich 1987 ein Newcomer namens Tony Moore ans Gesangsmikrofon, der sich als Überraschungstreffer entpuppte und zu dem von Reale nunmehr angepeilten Musikstil bestens paßte: Nachdem der Kreativkopf ein Jahrzehnt zuvor die Grundlagen für das, was man später als Speed Metal bezeichnen würde, mit aufgebaut hatte, aber dann mit Fire Down Under unschlüssig geworden war und die Früchte seiner Arbeit somit nicht ernten konnte (jawohl, mit Fire Down Under – lese das zugehörige Review auf diesen Seiten, wer’s nicht glaubt), geriet Thundersteel, wie das Riot-Comeback-Album getauft wurde, zum, wie wir heute wissen, einzigen reinrassigen Speed-Metal-Album der Band während der Ära Mark Reales. Und irgendwie war es ein Glücksfall, dass Sandy Slavin nicht dauerhaft auf den Drumsessel zurückkehrte – vier Songs trommelte Mark Edwards ein, bevor dann Bobby Jarzombek zur Band stieß und ihr nachhaltig den Stempel aufdrückte: Sein saftiges Getrommel unter häufigem Doublebasseinsatz hinterläßt an vielen Stellen einen treibend-vorwärtspreschenden Eindruck und unterscheidet sich damit nachhaltig von Slavin, dessen verschroben-hektisch-polterndes Spiel so manchem schnelleren Song der Platten ab Fire Down Under nachhaltig die Durchschlagskraft raubte. Jarzombek ist technisch natürlich auch ein absoluter Könner, aber er weiß, wann er sich diesbezüglich zurückhalten muß und einfach nur Geradeauspowern gefragt ist. Edwards verfolgt eine ähnliche, wenngleich nicht ganz so drückende Linie, so dass seine vier Songs „Fight Or Fall“, „Sign Of The Crimson Storm“, „On Wings Of Eagles“ und „Bloodstreets“ gewissermaßen die erste Stufe darstellen, bevor Riot mit den fünf Jarzombek-Nummern noch eine weitere in Richtung Metal-Olymp nahmen. Man höre sich nur mal den eröffnenden Titeltrack an: Da ist sie wieder, die Leichtigkeit, die den Narita-Titeltrack zum Klassiker machte, da sprüht der Enthusiasmus, es jetzt unbedingt schaffen zu wollen, aus jeder Note, und da fällt es auch dem Hörer leicht, in Begeisterung auszubrechen. Detail am Rande: Die Nummer schrieb Reale schon zu Narita-Zeiten, und sie findet sich auf dem einzigen, 1985 veröffentlichten Demo jener Formation – also muß der „Chef“ schon damals wieder Feuer und Flamme gewesen sein. Interessanterweise schaffte es Reale sogar ein weiteres Mal, einen Majordeal zu landen, diesmal bei CBS, und obwohl 1988 die Zeit des klassischen melodischen Speed Metals eigentlich schon fast wieder abgelaufen war und Thundersteel natürlich keine Chance mehr hatte, einen metallischen Innovationspreis zu gewinnen, so gab es offenbar doch immer noch genügend Menschen, die die perfekte Symbiose aus Härte und Melodie zu schätzen wußten. Vor allem die A-Seite der früheren LP geht diesbezüglich als Meisterstück durch. In deren Mitte hatten Riot eine schleppende Power-Metal-Nummer gepackt, nämlich „Sign Of The Crimson Storm“ – ringsherum aber lagert viermal melodische Hochgeschwindigkeit vom Aller-Allerfeinsten, geschickt tempovariierend („Fight Or Fall“ sowie das im neuen Jahrtausend von HammerFall für ihr Masterpieces-Coveralbum ausgewählte und auch von Alpha Tiger gecoverte „Flight Of The Warrior“ basteln jeweils verschleppte Refrains ins speedige Umfeld ein), Reales Gitarrenkünste angemessen würdigend und auch Moores Gesang ins richtige Licht rückend: Der Mann kann bedarfsweise enorm hoch kreischen, hält sich aber zumeist eine halbe Lage unter den Spitzentönen auf, verfehlt nur ganz selten die Ideallinie und ließ für die Zukunft noch ganz Großes erhoffen, wobei er sich aber auch schon mit der Leistung auf dieser LP in die erste Liga katapultiert hat.
Ein volles Album in dieser Qualitätsstufe würde die Erweiterung der MAS-Punkteskala auf 21 erfordern – dass das nicht nötig ist, liegt an der „nur“ guten bis sehr guten, aber das abartig hohe Niveau der A-Seite nicht erreichenden B-Seite. Im Falle von „Run For Your Life“ hat die verbliebene Kreativität nicht mal mehr für einen neuen Songtitel gereicht, denn eine Nummer dieses Namens gab es auf Fire Down Under schon mal – es handelt sich aber nicht um eine Neueinspielung, nicht mal um eine Adaption einzelner Themen, sondern um einen komplett eigenständigen Song, der ebenso wie „Johnny’s Back“ recht flotten gutklassigen, aber nicht genialen Power Metal bietet, der zwar nahezu jedes Album der Konkurrenz (und natürlich auch Fire Down Under) immer noch aufgewertet hätte, hier aber eben vor dem Problem der übermächtigen A-Seite steht. Überschattungsprobleme weisen auch die beiden anderen Songs der B-Seite auf, allerdings erst in der nachbetrachtenden Richtung: „Bloodstreets“ deutet zunächst eine Ballade an, entwickelt sich aber dann doch noch in Richtung melodischen Power Metals und macht das durchaus gut, stellt zugleich den wohl für die breite Öffentlichkeit zugänglichsten Song dar (und wurde vermutlich aus diesem Grund von CBS für einen Videodreh auserkoren) und hat doch das Problem, dass auf dem Folgealbum gleich zwei ähnlich gestrickte Nummern standen – und „Maryanne“ und „Runaway“ sind eben noch einen Tick besser als „Bloodstreets“. Die analoge Konstellation haben wir beim abschließenden Achtminüter „Buried Alive (Tell Tale Heart)“, der mit Gesprächssamples und anderen Zutaten arbeitet und mit diesen zwar nicht inhaltlich, aber in der Wahl der musikalischen Mittel wie eine Vorstufe für das zwei Jahre später folgende Konzeptalbum The Privilege Of Power wirkt, wo diese Elemente dann noch treffsicherer eingesetzt wurden als hier. Aber dieses Lamento geschieht wie bereits beschrieben auf enorm hohem Niveau: Thundersteel ist in seiner Gesamtheit nicht nur eines der beiden stärksten derjenigen Riot-Alben, die der Rezensent bisher besitzt (es gibt noch einzelne Lücken in der Kollektion, und wer den Namen des anderen wissen will, findet ihn nur wenige Zeilen weiter oben), sondern eines der besten Metal-Alben aller Zeiten – eines jener Werke, die man einem Außerirdischen vorspielen kann, wenn er wissen möchte, wie hochqualitativer melodischer Speed Metal zu klingen hat. Das zwar ohne die einbindungs- wie zeichnungstechnisch schwierige Robbe der Frühzeit auskommende, aber qualitativ die „Serie“ schwacher Riot-Artworks fortsetzende Cover muß man ihm ja nicht unbedingt zeigen ...
Die Rezension wurde anhand der Metal-Blade-Re-Release-Fassung von 2015 verfaßt, die serientypisch im Digisleeve daherkommt, das Posterbooklet auf der einen Seite mit Lyrics und auf der anderen mit zahlreichen historischen Fotos ausstattend. Bonustracks gibt es hier keine, die CD beschränkt sich auf die 46 Minuten des Originalwerks. Fanatiker können zum 2018 erschienenen 30th-Anniversary-Re-Release greifen, der als Doppelsilberling daherkommt. Die CD enthält dabei sechs Bonustracks – zwei Albumtracks in abgewandelten Fassungen und vier 1988 mitgeschnittene Livetracks, bei denen offenbar bereits Mike Flyntz als Zweitgitarrist mit von der Partie ist, denn er wird in den strukturellen Angaben des 2015er Releases, die vom 1988er Original übernommen wurden, bereits als Livemusiker geführt, auch wenn er erst 1991 festes Bandmitglied wurde. Da der Riot-Sound klar auf zwei Gitarren beruht, wäre es enorm schwierig, Gigs mit nur einem Gitarristen zu spielen (wenngleich es keine prinzipielle Unmöglichkeit darstellt und wie eingangs erwähnt die Quellenlage bezüglich der Reuniontour in dieser Frage keine Klarheit herstellen kann). Die zweite Scheibe ist eine DVD mit einem vollen 1988er Gig und weiterem Livematerial aus der damaligen Zeit. Aber egal in welcher Form: Thundersteel gehört in jeden vernünftigen Metallerhaushalt.



Roland Ludwig

Trackliste

1Thundersteel3:52
2Fight Or Fall4:27
3Sign Of The Crimson Storm4:41
4Flight Of The Warrior4:19
5On Wings Of Eagles5:43
6Johnny's Back5:34
7Bloodstreets4:41
8Run For Your Life4:08
9Buried Alive (Tell Tale Heart)8:55

Besetzung

Tony Moore (Voc)
Mark Reale (Git)
Don Van Stavern (B)
Bobby Jarzombek (Dr)
Mark Edwards (Dr)
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger