Reviews
Tricks Of A Trade
Info
Musikrichtung:
Melodic Rock / Melodic Metal
VÖ: 30.06.2017 (1985) (Karthago Records / Soulfood) Gesamtspielzeit: 39:33 Internet: http://www.karthagorecords.de http://www.puresteel-records.com |
Touchdown-Re-Releases, Vol. 2: Tricks Of A Trade
Don’t Look Down, das Touchdown-Debüt, hatte relativ überschaubaren kommerziellen Erfolg, aber doch genug, um Woolfe Records ein zweites Album herausbringen zu lassen, diesmal nicht auf dem Sublabel Harlequin Records, sondern auf dem Stammlabel. Da zwischen den Aufnahmen des Debüts und dessen Veröffentlichung einige Zeit ins Land gegangen war, hatte die kanadische Band selbige zum Weiterarbeiten und -entwickeln genutzt, und daran führte auch gar kein Weg vorbei, denn es standen personelle Veränderungen an: Der bisherige Hauptsongwriter und Gitarrist Gary Hurley zog von Calgary zurück an die Ostküste, und auch Sängerin Terry Kushner hatte kein Interesse an einer weiteren Arbeit im Kontext der Band, so dass Touchdown einen neuen Sänger, einen neuen Gitarristen und einen neuen Songwriter brauchten, ergo Schlüsselpositionen neu besetzen mußten. Zum Glück gelang das – teilweise sogar bandintern: Bassist Dave Temple, von Haus aus eigentlich Gitarrist, wechselte an sein eigentliches Instrument und übernahm auch das Songwriting, Bob Moody wurde der neue Sänger, und ein lokaler Studiomusiker namens Dennis Marcenko willigte ein, als Bassist auszuhelfen.
Dieses neue Kleeblatt spielte zehn Songs für das zweite Album ein – und man kann die Band durchaus noch wiedererkennen, trotz der erwähnten Wechsel. Temples Songs tendierten ein wenig stärker in die Melodic-Metal-Ecke und waren insgesamt etwas kompakter strukturiert als diejenigen Hurleys – Sechsminüter sucht man auf dem neuen Album vergeblich. Das macht freilich nichts, denn Qualitäten besaßen auch die neuen Werke, die Grundhärte stimmte gleichfalls, und so haben wir hier eigentlich ein blitzsauberes Melodic-Metal-Werk der Mittachtziger mit nur noch gelegentlichen Rückgriffen ins Melodic-Rock-Fach vor uns. Karthago-Labelchef Stefan Riermaier stellt in den Liner Notes allerdings fest, dass die Musik etwas stärker in die europäische, speziell die skandinavische Richtung tendiere, und er hat damit durchaus recht, wenngleich Touchdown keine Einflüsse aus der klassischen Musik verarbeiteten, wie das zu dieser Zeit in Skandinavien en vogue war. Zudem besaß die Band keinen Keyboarder, nicht mal mehr einen Gasttaster, und Temple beschränkte sich in rockuntypischer Richtung neben einer Sirene am Ende von „Looking For Traces“ auf einige Gitarrensynths, übrigens ein Jahr bevor Judas Priest für ebensolche auf Turbo reichlich Schelte ernteten, aber Iron Maiden kurze Zeit später für selbige auf Somewhere In Time kurioserweise nicht. Tricks Of A Trade, das nach dem Willen der Band übrigens eigentlich Tricks Of The Trade heißen sollte, fand freilich eine zu geringe Verbreitung, als dass man hier von einer einflußreichen Pioniertat im Metal sprechen könnte. Zudem setzt der Gitarrist nur selten auf besagtes Stilmittel, aber wenn er das tut, wie etwa im überraschenden abgefederten Mittelteil von „Pretty Baby“, dann wertet das die entsprechenden Songs in diesen Momenten durchaus auf. Was hingegen in seinen Songs völlig fehlt, ist das Blueselement, das noch zu Debützeiten hier und da durchblitzte – und auch die Keyboards in ihrer traditionellen Ausprägung, die damals noch strukturell tragende Rollen ausgefüllt hatten, existieren wie erwähnt nicht mehr. Trotzdem bleibt der Grundeindruck, hier einer metallisierten Version von Foreigner zu lauschen, durchaus auch im neuen Material erhalten, und nach so manchem kernigem Riff wie dem in „Fight“ hätte sich Mick Jones zu seinen härtesten Zeiten definitiv die Finger geleckt.
Freilich hört man Temple an, dass er noch nicht in jedem Falle die Routine besaß, eine gute Idee auch zum bestmöglichen Ergebnis weiterzuentwickeln. Das geht schon im eigentlich ziemlich knackig-mitreißenden Opener „On The Run“ los, dem nach Minute 3 eine irgendwie völlig indisponiert wirkende Generalpause eingepflanzt wurde, und die B-Seite enthält im Opener „Breakin‘ Out“ ein analoges Problem, indem Perry Segals Drumming die Strophen unnötig ausbremst. Dazu kommt der A-Seiten-Closer „Illusions“, der mit richtig schönen Akustikelementen anhebt und eine große Ballade erhoffen läßt, leider aber in einen guten, jedoch nicht weltbewegenden harten Hauptteil mündet und die Akustikpassagen nur als Rahmen für diesen verwendet – da wäre definitiv viel mehr dringewesen, zumal Bob Moody eine sehr gute Stimme besitzt und ihm auch im balladesken Kontext eine starke Leistung zuzutrauen gewesen wäre. Der Vokalist arbeitet zumeist in einem halbhohen Bereich, mit dem er auch in einer Epic-Metal-Band hätte punkten können, aber in einigen Passagen gleitet er auch weit nach oben, wo er einen ebenso sicheren Eindruck hinterläßt, von ganz wenigen Momenten abgesehen (ganz oben in „Overload“ wackelt er dann doch mal kurz). So bleibt festzuhalten, dass Touchdown mit Ana Hurley und Terry Kushner zwar ihren Originalitätsfaktor verloren haben, Bob Moody rein musikalisch betrachtet allerdings ein würdiger Ersatz ist, der sich auch im internationalen Maßstab nicht verstecken muß, wenngleich er, wie die weitere Musikgeschichte zeigt, offenbar keine Gelegenheit mehr bekam, das unter Beweis zu stellen (hauptberuflich arbeitet er heute als Luftfahrtingenieur).
Wie das Debütalbum ist nun auch Tricks Of A Trade im Rahmen der „Heavy Metal Classics“-Serie von Karthago Records als Re-Release in 500er Limitierung erhältlich, ausgestattet wie üblich mit Liner Notes, Lyrics und historischem Bild- und Dokumentenmaterial, unter welchletzterem sich übrigens auch ein Schreiben von Labelchef Wolfgang Freund an die Band befindet, nachdem ihm diese eine Demoaufnahme des Materials für das zweite Album zugeschickt hatte und er davon offensichtlich sehr angetan war – zu Recht: Auch wenn nicht alle Songs gleich hoch zu punkten wissen und die oben erwähnten Problemmomente nicht unter den Tisch gekehrt werden dürfen, so machen die knapp 40 Minuten doch durchgehend Hörspaß, wenn man auf klassischen Melodic Metal steht, dessen Fokus stärker auf „Melodic“ als auf „Metal“ liegt.
Roland Ludwig
Trackliste
1 | On The Run | 4:38 |
2 | Christine | 3:18 |
3 | Pretty Baby | 3:51 |
4 | Looking For Traces | 4:32 |
5 | Illusions | 4:07 |
6 | Breakin' Out | 3:53 |
7 | Overload | 3:42 |
8 | Pay The Price | 3:56 |
9 | Fight | 3:32 |
10 | How Long | 3:59 |
Besetzung
Dave Temple (Git)
Dennis Marcenko (B)
Perry Segal (Dr)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |