Reviews

Nena

Nichts versäumt live (CD & DVD)

Info Musikrichtung: Neue Deutsche Welle / Rock VÖ: 09.11.2018 (Sony) Gesamtspielzeit: 70:00

Ein Nena-Konzert im Jahre 2018?, am 29. Juni 2018 in Dortmund, um genau zu sein, das bedeutet ein Konzert 40 Jahre nachdem die 18-jährige Gabriele Susanne Kerner mit The Stripes erstmals auf der Bühne stand. Das wirft Fragen auf. Kann die knapp 60-jährige Großmutter (Nena hat mittlerweile fünf Kinder von zwei Vätern, zwei Enkel und eine Enkelin) den naiv-jugendlichen Charme ihrer großen Hits noch über die Bühne bringen?

Die Antwort lautet eindeutig: Ja! Mehr noch: Die Hagenerin weiß auch mit neueren Stücken, die von keinerlei Nostalgie-Flair gepusht werden, überzeugen. Noch mehr: Nena kann nicht nur Neue Deutsche Welle, sie rockt mit ihrer Band zum Teil auch richtig heftig ab. Höhepunkt ist dabei eine kurze Phase, in der sie selber nur vom Drummer Zachary Alford und Bassiten Paul di Leo (B, Back Voc) begleitet Gitarre spielt – auf einer kleinen maximal vier Quadratmeter großen Bühne mitten im Publikum. „Noch einmal“, „Berufsjugendlich“ und „Du kennst die Liebe nicht“ krachen irgendwo zwischen Hard Rock und The Who ins Ziel. Dieser Auftritt war Nenas Wunsch für ein paar Minuten in die frühen Jahre ihrer Karriere zurückzukehren. Man wünscht sich unmittelbar in ein Club-Konzert mit ihr hinein, in dem die perfekte Inszenierung dieses Hallenkonzerts weit weg ist.

Danach wirkt das von ihrem Sohn Sakias intonierte „Weißes Schiff“, bei dem er wie eine gemäßigter Xavier Naidoo wirkt, doppelt deplatziert. Er ist übrigens nicht das einzige Familienmitglied, das auf der Bühne steht. Sohn Simeon steht an den Keyboards. Am stärksten ins Rampenlicht gestellt wird allerdings Tochter Larissa, mal mit Akkordeon, ständig im Chor, aber auch mehrfach als Lead Sängerin. Dabei macht sie ihre Sache gut, trifft oft sehr gekonnt den Ton der Mutter. Der zu kurze weite Rock über den nackten Beinen wirkt allerdings eher vulgär, als erotisch. Da haben sowohl ihre Mutter, als auch die zweite Backing Stimme Emily Intsiful mehr Gefühl für einen gelungenen Auftritt.

Insgesamt liefert Nichts versäumt ein überraschend starkes, oft mehr rockig als poppiges Konzert. Beeindruckend wie der Klassiker „Leuchtturm“ aufgefrischt wird. Ruhig beginnend kocht er schnell auf und wird mit „Jumpin‘ Jack Flash“-Riffs in neue Sphären gehoben. Stark!

Leider verkitscht Nena das Ganze mit einer „Kinderhilfswerk“-Einlage am Ende ziemlich. Eine komplette Viertelstunde wird für das furchtbare „In meinem Leben“ und „Immer noch hier“ mit einem Kinderchor zur Verfügung gestellt. Nena will damit auf ein Kinderhilfswerk-Projekt hinweisen, das sie betreibt oder unterstützt. Nichts dagegen einzuwenden – im Gegenteil. Als Konzertende aber ein ziemlicher Stimmungskiller. Gut, dass es noch Bonusmaterial gibt.

Und noch eine kleine Mäkelei zum Schluss. Das DVD-Case steckt in einem Pappschuber, aus dem ein „N“ ausgestanzt ist. Netter Gag! Aber nur für Leute, die sich die CD/DVD nur zur Zierde ins Regal stellen. Bei mir ist die Spitze des einen Keils, der sich durch die Ausstanzung ergibt, schon hässlich verknickt. Muss man also sehr diszipliniert behandeln.

Norbert von Fransecky