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Reviews

Jenner

To Live Is To Suffer


Info

Musikrichtung: Thrash Metal

VÖ: 20.02.2017

(Infernö)

Gesamtspielzeit: 37:20

Internet:

http://www.inferno-records.net
http://www.facebook.com/pages/jennerserbia

Der Jenner ist ein 1874 Meter hoher Berg in den Alpen, im Berchtesgadener Land, um genau zu sein, und er erfreut sich einerseits als Aussichts- und andererseits als Wintersportberg, u.a. als Austragungsort des Jennerstier, eines bekannten Wettkampfes im Skibergsteigen, einiger Popularität. Das hier musizierende Quartett aus, nein, nicht Berchtesgaden, sondern Belgrad aber hat sich nicht diesen Berg als Namenspatron erkoren, sondern einen englischen Arzt namens Edward Jenner (1749-1823), der noch heute Ruhm als einer der Pioniere der Pockenschutzimpfung genießt. Seltsamerweise befassen sich auch einige der Texte auf To Live Is To Suffer mit ärztlichen Themen, allerdings durchaus nicht in philanthropischer Weise, sondern etwa in „Opened (On The Table)“ mit Szenarien, wie man sie im Film „Hostel“ vor Augen geführt bekam. Geschrieben hat diesen Text Produzent Luka Matkovic, während sonst das Gros der Lyrics von Marija Dragicevic stammt, die auf den Bandfotos und in der Besetzungsliste als Schlagzeugerin vertreten ist, aber in den acht Songs nicht spielt, obwohl die Encyclopedia Metallum sie auch schon für das 2015er Demo angibt, sie also nicht erst nach den Albumaufnahmen dazugestoßen sein kann, falls diese Information korrekt ist und es sich nicht um eine Verwechslung handelt (dort ist nämlich als Bassistin eine Person pseudonymens Drumwitch genannt). Statt dessen hören wir auf dem Album Selena Simic als Schlagzeugerin an der Seite der anderen Bandmitglieder, bei denen es sich gleichfalls durchgehend um Frauen handelt, was zwar mittlerweile im Weltmaßstab nicht mehr ungewöhnlich ist, für eine serbische Band aber schon und für eine Thrash-Metal-Band auch. Wenn man Sängerin Andelina Mitic, die einzige, die auf den Bandfotos ein monochromes schwarzes Top und kein Bandshirt trägt, nur anhand der Optik musikalisch einsortieren müßte, würde man auf alles mögliche tippen, aber nicht auf Thrash Metal, wobei festzuhalten bleibt, dass die Vokalistin zwar auch ein typisches Stakkato-Shouting beherrscht, sich aber lieber etwas klarer artikuliert, was auch zur grundsätzlichen Anlage der Songs von Gitarristin/Chefdenkerin Aleksandra Stamenkovic paßt. Die trägt zwar ein Shirt der ziemlich knüppeligen Infest, ist aber kompositorisch eher dem Grenzbereich Power/Thrash Metal hold, der nicht zuletzt durch das Drumming seine thrashige Note erhält. Ob sich das mit Marija als neuer (?) Schlagzeugerin ändern wird, bleibt abzuwarten – sie trägt jedenfalls ein Iron-Maiden-Shirt unter ihrer Lederweste, die wohl nicht zufällig so geöffnet ist, dass von den sechs Bandmitgliedern neben Bruce Dickinson gerade noch Nicko McBrain zu sehen ist. Jedenfalls hören wir auf To Live Is To Suffer, dem Jenner-Debüt, des öfteren schnelles Ufta-Ufta in verschiedenen Abstufungen, aber auch einige Ausflüge in klassische Midtempo-Mosh-Gefilde. Die Musik erinnert den Rezensenten ganz grundsätzlich an eine Band, die ihm namentlich gerade nicht einfällt, weswegen ein paar andere Namen im Grenzbereich eingeworfen seien, etwa Annihilator, Heathen, Wargasm oder Testament, die von ferne grüßen – Jenner klingen insgesamt allerdings deutlich europäisch und nicht amerikanisch, etwa wie eine europäische Antwort auf die allerdings bekanntermaßen selber relativ europäisierten Heathen. Kreator, von denen Bassistin Mina Petrovic, die aktuell nicht mehr zur Band gehört, allerdings abermals weiblich ersetzt wurde, ein Shirt trägt, hinterlassen durchaus die eine oder andere Spur, aber im Direktvergleich agieren Jenner viel melodiefixierter. Auch Artillery-Anhänger könnten die vier Serbinnen durchaus interessant finden, und da ist dann wie geschrieben noch die eine Band, auf deren Namen der Rezensent gerade nicht kommt.
Was Jenner noch fehlt, ist die Fähigkeit, richtig große Songs zu schreiben. Die 37 Minuten überzeugen als Ganzes durchaus, aber sich an Einzelnes zu erinnern fällt auch nach etlichen Durchläufen schwer. Das ist schade, besteht die Band doch aus technisch durchaus beschlagenen Musikerinnen, und gerade Aleksandra besitzt auch ein goldenes Händchen für die Ausgestaltung von Instrumentalmelodien, wie der zurückgenommene Part um Minute 4 von „How Deep Is Your Greed“ beweist. Ein Grund für die herabgesetzte Merkfähigkeit liegt sicherlich in dem etwas stiefmütterlich behandelten Gesang, den Luka Matkovic etwas zu weit in den Hintergrund gemischt hat, wobei anzumerken bleibt, dass Andelina gerade in den Höhenlagen eine geringfügig zu dünne Stimme zu haben scheint, so dass das vielleicht sogar Absicht war, eine Weiterentwicklung auf Folgealben erhoffen lassend – To Live Is To Suffer bildet wie erwähnt das Debütalbum von Jenner, aus der Vorzeit ist lediglich das oben genannte Zwei-Track-Demo von 2015 überliefert, dessen Songs „On The Judgement Day“ und „Hear The Thunder Roar“ beide auch auf dem Album gelandet sind, allerdings wohl in Neueinspielungen, da zum einen die Credits nur eine Aufnahmephase anno 2016 angeben und sich zum anderen auch die Spielzeiten der beiden Fassungen von „On The Judgement Day“ deutlich unterscheiden. Genaueres können hier freilich nur die Besitzer beide Veröffentlichungen sagen. Fest steht jedenfalls, dass vor allem Aleksandras Gitarrenarbeit ein Haupttrumpf von Jenner ist, und es darf gespannt verfolgt werden, was die Bandchefin und ihre Spießgesellinnen auf zukünftigen Werken so alles anstellen – bis dahin können beispielsweise Heathen-Anhänger durchaus auch To Live Is To Suffer ein Ohr leihen. Kleine Randbemerkung: Auf dem Einzelbild im Booklet sieht die Gitarristin viel sympathischer aus als auf dem Gemeinschaftsbild auf dem Inlay, wobei beide innerhalb der gleichen Session entstanden sein dürften.



Roland Ludwig

Trackliste

1Factory Of Death
2Hear The Thunder Roar
3Demon’s Call
4The Heath Is Coming Again
5On The Judgement Day
6How Deep Is Your Greed
7Silent Killer
8Opened (On The Table)

Besetzung

Andelina Mitic (Voc)
Aleksandra Stamenkovic (Git)
Mina Petrovic (B)
Marija Dragicevic (Dr)
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