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Reviews

Scanner

The Galactos Tapes / Best Of


Info

Musikrichtung: Melodic Speed Metal

VÖ: 25.08.2017

(Massacre Records/Soulfood)

Gesamtspielzeit: 124:48

Internet:

http://www.scanner4u.de
http://www.massacre-records.com

Scanner zählten und zählen zweifellos zu den Metalbands, bei denen Können und Erfolg in einem besonders krassen Mißverhältnis standen und stehen, und besäße Bandkopf Axel „A.J.“ Julius nicht förmliche Stehaufmännchenqualitäten, das Raumschiff samt Besatzung wäre längst wieder entfleucht und hätte allenfalls diffuse Erinnerungen an musikalische Großtaten zurückgelassen. Die Bandgeschichte kann der Interessent auf der materialseitig vorbildlich bestückten Bandhomepage www.scanner4u.de nachlesen, so dass sich eine Detailanalyse im Rahmen dieses Reviews erübrigt, zumal im Booklet der vorliegenden Doppel-CD auch eine Kurzfassung enthalten und die komplette Diskographie der Band coverseitig abgebildet ist. Also hier nur kurz und knapp zur Einordnung: Der Scanner-Vorläufer hörte auf den Namen Lions Breed und brachte ein Album namens Damn The Night heraus, dessen Coverartwork bei Kennern noch heute Kultstatus besitzt und das musikalisch gutklassigen Mittachtziger-Melodic-Metal bietet (siehe Review auf www.crossover-netzwerk.de). Die drei Saitenbediener der Band verstärkten sich dann mit einem neuen Drummer und einem neuen Sänger, tauften sich in Scanner um und entwickelten ein Sci-Fi-Konzept, dem sie bis heute folgen, wenngleich nicht im Sinne einer fortlaufenden Geschichte – eine solche gab es auf dem Debütalbum Hypertrace, aber mit dem Abgang von Sänger Michael Knoblich, der das Konzept maßgeblich entworfen hatte, wurde der Erzählstrang, der freilich schon zu Debützeiten nicht chronologisch verfolgt wurde, in dieser Form nicht mehr fortgesetzt und durch andere Ideen flankiert. Die erste Aktivitätsphase der Band endete nach dem das Debüt in Sachen musikalischer Klasse noch übertreffenden und von S.L. Coe eingesungenen Zweitling Terminal Earth, mit dem weiland auch der Rezensent auf Scanner aufmerksam wurde (siehe Review auf www.crossover-netzwerk.de). In den Mittneunzigern stellte Axel Julius eine neue Besetzung mit Sänger Haridon Lee aka Leszek Szpigiel zusammen, die die Alben Mental Reservation und Ball Of The Damned ausgerechnet in den für den traditionellen Metal schwierigen Jahren herausbrachte und damit zwar so manchem Metalhead half, diese Durststrecke zu überbrücken, aber dafür abermals mit überschaubarem pekuniärem Erfolg gestraft wurde und auch nicht von der phönixhaften Rückkehr dieses Stils in einen größeren Gesichtskreis, den Hammerfall mit ihrem 1997er Fabeldebüt Glory To The Brave einleiteten, profitieren konnten. Stattdessen erschien 2002 die stilistisch etwas abweichende Scantropolis-Scheibe, ausgestattet mit weiblichen Vocals und von den Anhängern eher kritisch beäugt, obwohl die Qualität durchaus zu überzeugen wußte, wenn man sich erst einmal an die vom liebgewonnenen Melodic Speed wegführende Marschrichtung gewöhnt hatte. Lisa Crofts Tage am Mikrofon waren indes gezählt, ihre Stelle übernahm Efthimios Ioannidis, der allerdings erst dreizehn Jahre später auf einer Studioscheibe zu hören war, dem 2015 veröffentlichten The Judgement, das stilistisch wieder die alten Zeiten aufgriff, temposeitig allerdings vielschichtiger gestaltet war.
Damit sind wir quasi in der Gegenwart angekommen, und nach sechs Alben, die dank diverser Re-Releases zwar nicht durchgängig alle noch zu haben, aber doch immer mal in gewisser Quantität verfügbar sind, beschloss Axel Julius, dass es anlässlich der 30 Jahre zurückliegenden Bandgründung Zeit für einen Schaffensüberblick sei. Dieser liegt nun als Doppel-CD im Klapp-Digipack mit informativem Booklet vor und ist strukturell zweigeteilt. CD 1 enthält 15 Songs von den sechs Alben in den Originalfassungen, CD 2 fünf dieser Songs plus fünf weitere in Einspielungen des aktuellen Line-ups, also mit Efthimios Ioannidis als Sänger. Dabei gibt es auf keiner der beiden CDs eine chronologische Ordnung, was mit der Einschätzung des eher locker verfolgten Konzeptes konform geht und zugleich demonstriert, dass Scanner außer auf dem Scantropolis-Experiment ihrem Grundstil durchgängig treu geblieben sind, auch wenn sie die alte Songwritingschule der Achtziger, pro Song eine (in Zahlen: 1) Idee zu haben und diese dann auch konsequent durchzuexerzieren, in späteren Jahren zugunsten einer etwas größeren Vielschichtigkeit aufgaben, was freilich schon auf Terminal Earth mit dem Neun-Minuten-Epos „From The Dust Of Ages“ begonnen hatte, auch wenn selbiges nicht von Bandkopf Axel Julius, sondern von S.L. Coe geschrieben wurde. Auffälligerweise ist von den sechs von diesem (mit)komponierten Songs besagter Scheibe kein einziger auf CD 1 gelandet – Zufall oder Problem bei der Rechteeinräumung? Okay, „Buy Or Die“ und „The Law“ sind definitiv auch keine schlechte Wahl (hier stammen jeweils nur die Lyrics von Coe). Den Löwenanteil der knapp 74 Minuten nehmen mit je vier Songs allerdings Hypertrace und Ball Of The Damned ein, ersteres unter Hinzurechnung des Openers „Galactos“, der 1987 auf dem Doomsday News-Sampler einen ersten Einblick ins Scanner-Schaffen ermöglichte - Hypertrace kam erst 1988 heraus, und der besagte Song stand nicht auf der regulären Pressung, fungierte aber beispielsweise als Japan-Bonustrack und wurde auch späteren Re-Releases gern hinzugefügt. Ball Of The Damned wiederum stellt u.a. zwei außergewöhnliche Nummern, nämlich einerseits „Puppet On A String“, das durch seine Position auf einem der frühen RockHard-Heftsampler weitreichende Bekanntheit erlangte und zudem gasthalber von Ralf Scheepers eingesungen wurde, der schon in den Achtzigern beinahe am Frontmikro der Band gelandet wäre, andererseits „Innuendo“, die einzige Coverversion, die Scanner bisher aufgenommen haben, das Queen-Original strukturell nicht zerstörend, aber ihm schon deutlich den eigenen Bandstempel aufdrückend. Von Mental Reservation wurde interessanterweise das durch die Plazierung auf dem Massacre-Records-Sampler In Your Face zumindest etwas weitreichender bekanntgewordene „Upright Liar“ nicht berücksichtigt. Wie Terminal Earth und auch das jüngste Studiowerk The Judgement stellt besagte Scheibe zwei Beiträge, und so bleibt noch einer für „Always Alien“ von Scantropolis, eine angedüsterte Halbballade, die wohl bewußt ans Ende von CD 1 gesetzt wurde, um den metallischen Fluß, so vielschichtig dieser auch grundsätzlich gehalten ist, nicht noch ein zweites Mal (und noch markanter als „Innuendo“) zu unterbrechen. (Halb-)Akustikgitarren gekonnt in angedüsterte Traditionsmetalgefilde einbinden konnten Scanner allerdings auch früher schon, wie „Judge On The Run“ (von Ball Of The Damned) unter Beweis stellt. Zu dieser Zeit hatten Scanner auch einen festen Keyboarder dabei, der allerdings eher punktuelle Verfeinerungen einbringt und weniger als konsequenter Stimmführer in Erscheinung tritt. Insgesamt also ein guter Überblick über das Scanner-Schaffen in den letzten 30 Jahren.
CD 2 gerät aufgrund der konstanten Besetzung naturgemäß deutlich homogener als CD 1, wobei aber wie bekundet auch jene durchaus nicht unter Mangel an Zusammengehörigkeit leidet, obwohl man auf ihr sechs verschiedene Sänger hört. Auf CD 2 singt nun ausschließlich Efthimios Ioannidis, und der hat die tiefste Tessitur von allen bisherigen Scanner-Vokalisten – er kann zwar auch ein gutes Stück in die Höhe gleiten, fühlt sich eine Etage darunter aber sichtlich am wohlsten. In welchem Rahmen Julius daher bei den Neueinspielungen Tonarten und Instrumentenstimmungen anpassen mußte, darf Musikwissenschaftlern zu analysieren vorbehalten bleiben – einige Unterschiede fallen aber auch dem Nichtmusikwissenschaftler sofort auf. Bei den Scantropolis-Songs „Sister Mary“ und „Till The Ferryman Dies“, interessanterweise auch auf dieser CD ans Ende positioniert, ist das auch ganz natürlich, denn der stilistische Unterschied des Originals zum aktuellen Scanner-Sound war markant und ist in den Neueinspielungen kaum noch wahrnehmbar. Aber auch bei „Puppet On A String“ fällt auf, dass das zentrale Gitarrenthema viel stärker herausgestellt wird, während der instrumentale Zusammenbruch am Ende von „Buy Or Die“ in der (nicht so markant gestuften) Originalversion irgendwie organischer wirkt. Für die Chöre zeichnen gleich zwei Ensembles verantwortlich, liebevoll Teutonic Space Shouters (fünf Deutsche) und Intergalactic Choir of Terrians (eine zweistellige Anzahl Menschen aus verschiedenen Ländern Europas) getauft. Eine Doppelseite im Booklet zeigt übrigens, nein, nicht diese Sänger, sondern Fans aus der halben Welt, die sich mit oder auch ohne Scanner-Merchandise abgelichtet haben, und auch an der Songauswahl soll die Anhängerschaft beteiligt gewesen sein. Bei CD 2 wird wohl die Songanzahl von 10 von vornherein vorgegeben gewesen sein, was Studio- und sonstige Kapazitäten angeht – bei 51 Minuten Spielzeit wäre sonst durchaus noch etwas Platz gewesen. Aber der geneigte Anhänger wird sich vermutlich nicht beschweren, und für eventuell mit The Judgement erst neu hinzugestoßene Fans hat diese Neueinspielung ja sogar den Quasi-Gegenwert eines neuen Albums, wobei CD 1 diesen Personenkreis allerdings sowieso zwingt, sich aktiv mit der Geschichte der Band auseinanderzusetzen, und durchaus den einen oder anderen Kaufanreiz induzieren könnte, während der Altanhänger zumindest checken kann, was ihm aus dem Scanner-Katalog denn noch fehlt – bedingt durch die langen Veröffentlichungspausen wird so mancher die Band zwischendurch schlicht und einfach aus den Augen verloren haben. Wenn jemand noch einen Tip braucht: Terminal Earth ist die wohl stärkste Scheibe der Formation und daher als Einstieg ins historische Schaffen am besten geeignet. Ob man diese Doppel-CD hier zwingend haben muß, wenn man tatsächlich den kompletten Scanner-Katalog bereits besitzt, hängt wie immer vom Urteil ab, wie man Neueinspielungen eigenen historischen Songmaterials gegenübersteht – immerhin sind Julius und besonders Ioannidis intelligent und spiel- bzw. sangesstark genug, um in einem Direktvergleich nicht von vornherein alt auszusehen, so dass hier niemand eine Peinlichkeit wie die Neufassung von Manowars Kings Of Metal befürchten muß, sondern sich die zehn Neueinspielungen wie erwähnt theoretisch sogar als neues Scanner-Album interpretieren lassen, wüsste man nicht, dass dem nicht so ist. Trotzdem, Herr Julius, wäre es langsam an der Zeit, den Schwung zu nutzen und bis zum nächsten richtigen Studioalbum nicht wieder ein Jahrzehnt vergehen zu lassen, nicht wahr? (Auch wenn seit den Re-Recordings Basser und Drummer schon wieder ausgetauscht wurden.) Und ein aktueller Facebookkommentar offenbart tatsächlich, dass die Band an einer neuen Scheibe arbeite, auf die man wie immer sehr gespannt sein darf.



Roland Ludwig

Trackliste

CD 1: Compilation
1 Galactos (3:50)
2 Warp 7 (4:27)
3 We Start It Tomorrow (4:59)
4 Buy Or Die (4:59)
5 Across The Universe (3:52)
6 Puppet On A String (6:52)
7 Innuendo (5:01)
8 F.T.B. (4:05)
9 After The Storm (4:37)
10 Terrion (4:53)
11 Out Of Nowhere (4:59)
12 The Law (4:17)
13 Judge On The Run (4:15)
14 Nevermore (5:57)
15 Always Alien (4:46)

CD 2: Re-Recordings
1 Warp 7 (4:38)
2 Puppet On A String (6:53)
3 Across The Universe (4:42)
4 Buy Or Die (5:15)
5 Rubberman (5:48)
6 Terrion (4:41)
7 Wonder (4:14)
8 Tollshocked (4:06)
9 Sister Mary (5:19)
10 Till The Ferryman Dies (5:09)

Besetzung

CD 1: Compilation
Axel „A.J.“ Julius (Git)
+ wechselnde Mitstreiter

CD 2: Re-Recordings
Efthimios Ioannides (Voc)
Axel „A.J.“ Julius (Git)
Andreas Zeidler (Git)
William Chapman (B)
Hanno Kerstan (Dr)
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger