Reviews
The Berlin Concert
Info
Musikrichtung:
Moderner freier Jazz
VÖ: 18.05.2018 (Intakt) Gesamtspielzeit: 40:05 Internet: http://www.angelika-niescier.de/ http://www.intaktrec.ch/ https://www.pias.com/# |
Die Jazz-Musikerin Angelika Niescier wurde 1970 in Stettin, Polen, geboren. Seit 1981 lebt sie in Deutschland. Im Jahre 2000 gründete die Saxofonistin ihre erste eigene Band, ein Quartett mit dem Output von vier Platten.
Nun hat die Musikerin in famoses Live-Album vorgelegt - The Berlin Concert. Ja, während des Jazzfests Berlin 2017 entstanden diese Aufnahmen, am 3. November des Jahres, aufgezeichnet vom Rundfunk Berlin-Brandenburg, mein spezieller Dank dafür! Mit fast derselben Besetzung, nur mit Thomas Morgan am Bass, erschien 2011 die Platte “Quite Simply“, durch die ich die Jazzerin musikalisch kennenlernte. Damals stellte ich eine Ähnlichkeit zur Musik von Ornette Coleman fest, einem der wichtigen Vorreiter des freien Jazz. Bezüglich der Protagonistin selbst bemängelte ich, dass mir oft das zupackende emotionale Element fehlte.
Nun, sieben Jahre später muss ich meine Meinung revidieren, zumindest was diese Live-Einspielung betrifft. Ja, das mag vielleicht auch an der zwischenzeitlich vergangenen Zeit liegen, in Form eines Entwicklungsprozesses, oder aber möglicherweise auch an der Live-Atmosphäre und der damit verbundenen Herausforderung. Was beiden Einspielungen jedoch gemein ist, dass mich der Schlagzeuger enorm fasziniert, der auch hier erneut seine großartigen Fähigkeiten zur Schau stellt. Er begleitet, er soliert, er gestaltet, und sogleich der Opener, das über zwölf Minuten währende “Kundry“, ist eine Bühne nicht nur für ihn, sondern für alle drei Musiker kollektiv. Ja, hier lebt der Jazz, hier atmet er Freiheit, Kreativität, und erneut gibt es Momente des Schaffens von Ornette Coleman. Doch es ist nur dessen Geist, der sich grundsätzlich durchzieht, denn sein aus dem Free Jazz heraus entwickeltes System der “Harmolodics“ kommt nicht zur Anwendung, es ist eher der Coleman der Fünfziger, der hier Einzug gehalten hat.
Doch letztlich ist es den drei Musikern gelungen, ihre eigenen Ideen von Jazz umzusetzen, und das mit Ideenreichtum und Brillanz. Die ungezügelte Offenheit des Spiels, und gleichzeitige Gemeinsamkeit ist mit Leidenschaft umgesetzt worden, jeden Musiker als gleichberechtigten Partner darstellend. Nicht jedes Stück gleicht dem anderen, und so klingt es mit “Like Sheep, Looking Up“ schon wieder ganz anders, mit leicht mysteriösem Ausdruck, suchend, forschend, Bass und Saxofon sind in einem Dialog, den der Schlagzeuger sehr aufmerksam begleitet und unterstützt. Eine gewisse Traurigkeit schwingt mitunter mit, und so offenbart es sich mitunter als scheinbare Klage oder Anklage. “5.8“ im 5/8 – Takt, hat einen dezent tanzbar anmutenden Charakter und treibt die Saxofonistin zu einem entfesselten Solo, emotional treibend und mitreißend. Und das abschließende “The Surge“ löst sich ruhelos vom Rhythmus und treibt gnadenlos in die freie Improvisation, auch hier zeigt sich Tyshawn Sorey erneut als hervorragender und einfühlsamer Musiker. Auf dieser Platte spielt eine Angelika Niescier, die dem Jazz eine frische Note gibt und die diesen Weg weitergehen sollte.
Trackliste
2 Like Sheep, Looking Up (10:43)
3 5.8 (9:03)
4 The Surge (7:43)
Besetzung
Christopher Tordini (bass)
Tyshawn Sorey (drums)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |