Reviews
Jerry Reed Live Still
Info
Musikrichtung:
Country
VÖ: 19.04.2005 (R2Krecords) Gesamtspielzeit: 32:28 |
Jerry Reed ist den Film-Fans eher wegen seiner humorvollen Rollen als Trucker in den drei Filmen über Das ausgekochte Schlitzohr (im Original: Smokey & the Bandit) bekannt, zu denen er übrigens auch die Musik beisteuerte. Die Countryfans hingegen lieben die Geschichten, die er - nunmehr seit mehr als 50 Jahren - in seinen Songs erzählt. Dabei singt er nicht bzw. kaum über Liebe an sich, sondern über Alltägliches und Skurriles, und das alles gewürzt mit einer gehörigen Portion Humor. Jerry Reed nahm für das Album acht seiner großen Hits und füllte den Rest mit zwei neuen Songs. Wie sich ein Musiker gehalten hat, hört man am besten bei Live-Konzerten. Also Ohren auf für den alten Meister der Storyteller.
Im Einzelnen:
Dass Jerry Reed nicht nur für sich Songs schrieb, sondern auch anderen Künstlern legendäre Erfolge bescherte beweist Lied Nr. 1, mit dem der King of Rock´n´Roll Lorbeeren erntete. Vorab wird - schließlich hat man einen Storyteller am Mikrofon - berichtet, wie Elvis reagierte, als Jerry ihm den "Guitar man" vorspielte. Es fällt zwar auf, dass die Stimme mit den Jahren brüchiger geworden ist. Sobald jedoch der Gesang einsetzt, verfügen die Stimmbänder über die alte bekannte Kraft und Energie. Unterstützt von einer hervorragenden Band kommen hierbei auch Reeds enormen Fähigkeiten als Gitarrist zum Vorschein, und die Musik scheint, ebenso wie der Sänger, kaum gealtert zu sein. Über die Nachteile des Alterns, das auch ihn nicht verschont, hat er einen neuen Song gemacht, der sich "Father time and gravity" nennt und die Probleme der Hauterschlaffung und Faltenbildung aufs Korn nimmt. Hierbei kommt ihm seine witzige Art zunutze, denn so wie er über die Dinge berichtet, darf man nicht nur Schmunzeln, sondern auch mal herzhaft loslachen. Und dann sollte man sich mal fragen, wer außer Jerry Reed sich überhaupt traut, ein derartiges Thema zum Gegenstand eines Songs zu machen. Aber so ist er nun mal: Mr. Reed erzählt aus dem Leben.
Dies gilt ebenso für die - mit einer stimmungsmäßig sehr guten Einleitung versehenen -Geschichte von "Amos Moses" aus den Louisiana Swamps oder den von Tim Dubois geschriebenen Song "She got the gold mine (I got the shaft)". Beswingter Background-Rhythmus liefert den Teppich für die flott erzählte Geschichte über den finanziell gemolkenen Ex-Ehemann. Wer die Originale kennt, vermisst nicht einen einzigen Akkord, denn die Musiker sind ebenso wie der Background-Chor auf den Punkt genau da, wo sie sein sollen und bieten eine exzellente Soundqualität. "A thing called love" wird von vielen dem "Man in black" zugeordnet, doch hier sitzt man einem Fehler auf, denn auch dieser Titel entstammt der Feder des Storytellers, der bereits mit 17 Jahren seinen ersten Plattenvertrag erhielt und seitdem neben unzähligen anderen Ehrungen zwei CMA-Awards und drei Grammys erhielt. Hier fällt erstmalig auf, dass der Stimmumfang von Jerry Reed nicht mehr an frühere Zeiten heranreicht, aber wer mag es einem 70-jährigen verdenken? Es reicht aber allemal aus, sich bei "Lord, Mr. Ford" den Hersteller seines fehleranfälligen Fahrzeugs vorzunehmen und über seine Erfahrungen mit dem Gefährt zu berichten.
Nach "When you´re hot, you´re hot" (mit einem interessant klingenden Girly-Chor) dürfen noch einmal Jerrys Fähigkeiten an der Gitarre präsentiert werden bei "Jerry´s Breakdown Revisited", das den typischen Jerry-Reed-Sound widerspiegelt, der auch gelegentlich von jungen Musikern wie z.B. Brad Paisley übernommen wird. Qualität setzt sich eben auch über die Jahre durch! Mit "A brand new me" wird der zweite neue Song vorgestellt, der dies Album auch für diejenigen kaufenswert machen soll, die bereits über viele Reed-Alben verfügen. Dies Lied verfügt über Gospel-Einflüsse, die insbesondere über den Chor, einen jungen Sänger (für den Gospel-Part) und einen typischen "Baseman" vermittelt werden. Der Text passt entsprechend hinzu und rundet den Song ab, obwohl sich hier wohl kein neuer Hit abzeichnen dürfte. Beendet wird das Album durch "East bound and down", den Track aus "Smokey and the bandit", mit bekannt flottem Rhythmus und dem typischen Groove, der wohl jeden Countryfan mitreißen dürfte (und... Anm. des Verfassers...jede meiner Country-Radiosendungen eröffnet).
Fazit:
Wer geglaubt hat, Jerry Reed könnte keine Konzerthallen mehr zum toben bringen, sieht bzw. hört sich hier eines Besseren belehrt. Der knapp siebzigjährige Storyteller, dessen Stimme zwar ein wenig brüchiger geworden ist, aber trotzdem noch über sehr viel Energie verfügt, kann sich immer noch hören lassen, besonders wenn er seine witzigen und auch nachdenklichen Geschichten erzählt und von einer derart hervorragenden Band begleitet wird. Leider scheint diese Art von Musik auszusterben, denn auch im Countrygenre bekommen immer weniger Musiker eine komplette Geschichte in einen Song gepackt, da die Hitqualität viel zu oft in der Musik statt in den Lyrics gesucht wird.
Insgesamt handelt es sich um ein gelungenes Album eines großen Künstlers des Country- und Folkbereichs. Wer die Greatest Hits von Jerry Reed bereits sein eigen nennt, wird dies Album nicht unbedingt benötigen, wer jedoch einen Einstieg zu diesem sympathischen Entertainer sucht, ist hier wohl an der richtigen Stelle.
Lothar Heising
Trackliste
1 | Guitar Man | 3:23 |
2 | Father time and gravity | 3:48 |
3 | Amos Moses | 3:22 |
4 | She got the gold mine (I got the shaft) | 3:29 |
5 | A thing called love | 2:20 |
6 | Lord Mr. Ford | 3:33 |
7 | When you´re hot, you´re hot | 3:13 |
8 | Jerry´s breakdown revisited | 2:30 |
9 | A brand new man | 3:38 |
10 | East bound and down | 3:12 |
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |