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Azure
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Das Cover lässt Schlimmes erwarten: Himmel, Wolken - eingescratcht der Bandname: Steep, darüber der Titel der CD Azure. Auf der Rückseite ein Bandfoto, auf dem sich die Protagonisten nicht über „philosophisch gen azur(e)-blauen Himmel starend„ oder „Schwiegermutter-Gefall-Blick“ einigen konnten. Halte ich also gerade das Werk einer Schülerband, aufgenommen auf 4-Spur-Rekorder im Kellerraum in der Hand? Weit gefehlt! Denn Musik-an-sich-Rezensenten hören sich natürlich auch die äußerlich abschreckenden CDs gewissenhaft an.
Zur Sache: die CD ist erst einmal ziemlich fett produziert. Breitwand-College-Rock im druckvollen Plattmach-Gewand. Sehr frisch, energetisch und dazu aus deutschen Landen, wow! Ok, streckenweise will der Vierer dann vielleicht doch zu college-amerikanisch klingen, aber selbst wenn sie wie müde Nickelback klingen, ist das immer noch um Längen besser als konformer Soundbrei aus anderen deutschen Proberäumen. Der Nickelback - Vergleich hinkt natürlich, denn die junge Band hat ihren individuellen Sound längst gefunden. Warum in der Pressemitteilung unbedingt mit Indierock, Miles oder sogar Coldplay verglichen werden muss, bleibt unklar.
Der Opener „Breaking the Silence“ sticht zweifellos heraus: episch, mit gewaltigem Stimmeinsatz, überraschenden Breaks und Riff-geladen. Oh ja, das schmeckt dem Rock-Gourmet und Mattenschwinger gleichermaßen. Vielseitig und ungebunden zeigen Steep, in welcher bayrischen Werkzeugkiste sich der Dampfhammer versteckt hat. Dennoch scheuen sie auch die großen, melancholischen Gefühle nicht. Bei „Lost Emotions“ müssen die Anti-Depressiva aus dem Schrank geholt werden: tragisch, leidend, schmerzvoll - am Ende des Songs heult sich auch noch die klagende Gitarre aus und die Taschentücher sind alle.
Ein Anti-USA-Song gehört ja inzwischen serienmäßig ins Repertoire einer moralisch und charakterlich integeren Band. Steeps „American Idiot“ heißt „Stars and Stripes“ und marschiert unbestechlich durch ausgetrampelte Pfade. Die Prise The Clash, die sich hier wieder findet, erfrischt aber ungemein. Ebenso wie die zungenbrecherische Zeile: „Do Freedom Fries free peoples’ minds of French bad taste?“. Diese Strophe entschädigt für einiges Englisch-Geholper und -Gestolper in den Texten, das dann doch die nicht-angelsächsische Herkunft aufdeckt.
Christoph Henkel
Trackliste
1 | breaking the silence |
2 | faded sun |
3 | great expectations |
4 | set me free |
5 | stars and stripes |
6 | selfish |
7 | angel |
8 | i count the days |
9 | paralyzed |
10 | slut of nature |
11 | egomaniac |
12 | strange ones |
13 | lost emotions |
14 | sensation |
Besetzung
Benedikt Blaskovic: Schlagzeug
Sven Kröber: Gitarre
Florian Becker: Bass
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |