Reviews
Violinkonzerte Nr. 2 und 4
Info
Musikrichtung:
Romantik
VÖ: 20.01.2005 telos music records / Klassik Center Kassel (CD, DDD (AD: 2000) / Best.Nr. TLS 047) Gesamtspielzeit: 63:31 Internet: Telos Ingolf Turban Agenturhomepage |
MIT DEM TEUFEL IM BUNDE
Niccolo Paganinis Auftritten als Virtuose haftete stets etwas bizarres, düsteres an, was gemeinsam mit seinen sagenumwobenen Künsten auf der Geige und seinem von Gerüchten umgebenen Privatleben zum Bild vom Teufelsgeiger beitrug, als der er in die Musikgeschichte eingegangen ist. Dabei leistete er selbst diesem Ruf wohl nur teilweise absichtsvoll Vorschub und in den letzten Jahren seines bewegten Lebens war er keineswegs der von europäischem Ruhm getragene Künstler, sondern auch und vor allem ein vom Leben und den Menschen enttäuschter, einsamer Mann. Nichtsdestotrotz blieb ihm der Ruf, ein Hexenmeister zu sein, erhalten und wurde schließlich sogar kirchlich zementiert, indem nach Paganinis Tod der Bischof von Nizza dessen Bestattung in geweihter Erde untersagte, da er "ein Sohn der Hölle" gewesen sei.
Nun, wenn es mit dem Teufel zugehen muß, um wie Paganini zu spielen und um seine virtuos zugespitzten, ja oft überspitzten Werke zum Leben zu erwecken, so müßte hörbar auch Ingolf Turban guten Kontakt zu den Mächten der Finsternis pflegen: Mit seinem Geigenspiel hat der Münchner inzwischen international Furore gemacht und er wird den damit einhergehenden Erwartungen hier wiederum vollauf gerecht.
Nicht allein die Tatsache, dass ihm auch die vertracktesten Kunstgriffe auf der Violine flink, in Perfektion und mit brillanter Strahlkraft von der Hand gehen, sorgt für das superbe Ergebnis. Vielmehr gibt Turban den Stücken das, was auch die Zeitgenossen Paganinis bewegt haben muß, nämlich den Anschein, dass hier der Geiger sein Innerstes nach Außen kehrt und künstlerisch überhöht. In diesem Sinne ist Turbans Spiel durchweg expressiv zu nennen, wobei ihm jedoch gleichzeitig eine Höchstmaßheit an Differenziertheit gelingt. Wie derzeit wohl kaum ein anderer seines Fachs vermag er den Ton zu schattieren, die Geige erst sanft singen, sogleich darauf "aufschreien", dem samtigen Ton einen brillant stahlharten Klang folgen zu lassen.
Auch den sonst oft wenig beachteten Mittelsätzen, vor allem dem für Paganinis Verhältnisse sorgsam gestalteten Adagio des Konzerts Nr. 4, widmet er höchste Aufmerksamkeit und präsentiert uns hier Paganini als durchaus ernst zu nehmendem Komponisten.
Das mag nichts daran ändern, dass dessen Konzerte natürlich über weite Strecken in der Orchesterbehandlung und Thematik eindimensional bleiben, sich dabei an einer Rossini nicht unähnlichen Tonsprache orientieren und letztendlich vor allem dazu dienen, die Kunst des Solisten in glanzvollem Rahmen zu präsentieren. Wird all dieses aber so engagiert, perfektioniert und bisweilen auch mit einem virtuosen Augenzwinkern wie hier dargeboten, kann man sich auch heute der Wirkung schwerlich entziehen.
Diese wird beim Live-Genuß eines Konzertes zwar unweigerlich stärker sein, durch den plastischen Klang der in Zusammenarbeit mit dem WDR entstandenen Aufnahme und die vom WDR Rundfunkorchester Köln unter Leitung von Lior Shmabadal souverän ausgebreitete, kraftvolle Klangkulisse aber wird auch die CD zu einem Hörerlebnis.
Sven Kerkhoff
Trackliste
1 Allegro maestoso 15:15
2 Adagio 06:12
3 Rondo (La Campanella) 09:05
Konzert Nr. 4 d-moll
4 Allegro maestoso 16:55
5 Adagio flebile con sentimento 05:30
6 Rondo galante 10:34
Besetzung
WDR Rundfunkorchester Köln
Ltg. Lior Shambadal
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |