Reviews
Perfect Pair (Vorab-Release)
Info
Musikrichtung:
Siebziger-Prog
VÖ: 07.09.2017 (Eigenproduktion / Rainer Thieme Management) Gesamtspielzeit: 47:08 Internet: http://www.facebook.com/perfectpairprog |
Als Perfect Pair im September 2017 mal wieder eine ihrer Mini-Deutschland-Touren absolvierten, hatten sie eine Vorabversion ihrer neuen CD dabei. Zum Reviewzeitpunkt ist noch unklar, wann und in welcher Form eine „Vollversion“ erscheinen wird, aber bis dahin kann sich der geneigte Seventies-Prog-Anhänger schon mal mit dieser in einer Plastikhülle mit Covercard erschienenen Fassung trösten, wenn er die musikalische Welt dieser Ausnahmekönner kennenlernen will. Und das lohnt sich definitiv, soviel sei vorausgeschickt.
Wer das Livereview vom 9.9.2017 aus Naundorf gelesen hat, der weiß, daß Perfect Pair, obwohl sie sich nach einem erst in den Achtzigern erschienenen King-Crimson-Album benannt haben, musikalisch in den Siebzigern beheimatet sind, ebenda in Proggefilden im weitesten Sinne wildern und das, was ihnen kompositorisch dort interessant erscheint, in ihren eigentümlichen Stil umsetzen – eine Coverband also, freilich eine mit höchst eigenem Profil. Auf der CD sind Perfect Pair allerdings zu viert, was indes keine grundsätzlich andere Herangehensweise ergibt: Der vierte Mann, der die Tour nicht hatte mitfahren können, ist Franco Zampieri und zeichnet für Gesang und elektronische Effekte verantwortlich, was sein Frontkompagnon Guillermo Gonzales in gleicher Kombination tut, so daß sich also keine grundsätzliche Erweiterung des Instrumentariums ergibt, denn Hauptsächlich-Akustik-Gitarrist David Cremoni und „Ground Drummer“ Sbibu rollen nach wie vor das Gros des instrumentalen Teppichs aus, und die Keyboards bzw. sonstigen Elektronika tupfen nur hier und da zusätzliche Klangfarben drüber, hier und da allerdings auch einen Bestandteil einer Art Rhythmusgruppe bildend. Eine Bereicherung ergibt sich naturgemäß im Gesang, aber wer Guillermo live erlebt hat, der weiß, daß der Mann auch alleine schon über ein beeindruckend breites Stimmspektrum verfügt (und dabei hält er sich hier sogar von den heftigen Lagen fern, die er früher mit seiner Metalband Mothercake gepflegt hat), so daß Franco zwar eine weitere Klangfarbe einbringen kann, aber der hauptsächliche Kontrast zur Trio-Livebesetzung darin besteht, daß die Konstellation zweistimmiger Gesangspassagen in der Konservenfassung nun eine andere ist (live hatte David gelegentlich eine zweite Stimme beigesteuert), wobei Gentle Giants „Funny Ways“ durch die Guillermo-Franco-Konstellation besonders an Wirkung gewinnt.
Der Hang Perfect Pairs, Songs ihrer Helden zu Medleys zusammenzufassen, bricht sich auch auf der CD Bahn, und zwar gleich in der Hälfte der Nummern. In zwei Fällen beschränkt sich das Verquicken auf zwei Songs, im dritten Fall bekommen wir aber gleich vier alte Genesis-Nummern im Verbund vorgesetzt, nämlich „Horizon“, „Cinema Show“, „Watcher Of The Skies“ (hier haben wir einen der markanten Fälle von rhythmustreibenden Elektronika) und „Musical Box“, was trotz des Umstandes, daß medleytypisch keine derselben in voller Länge erklingt, immer noch reichlich 14 Minuten Spielzeit ergibt, in denen sich vom balladesken Seelenstreichelmoment bis hin zum treibenden Elektronikrock das komplette von Perfect Pair abdeckbare Stilspektrum vereint – der Terminus „Rock“ ist angesichts der Besetzung bekanntlich mit Vorsicht zu gebrauchen, zumal auf der Konserve die live gelegentlich eingestreuten Passagen, wo David mal heftigeren Riffkrach machte, durch Abwesenheit glänzen. Die kleine Einschränkung im dynamischen Spektrum macht die ansteckende Spielfreude der Beteiligten aber locker wett, wenngleich man in der rein akustischen Wiedergabe auch noch auf den originellen Anblick des auf dem Boden sitzend trommelnden Sbibu verzichten muß. Aber vielleicht erscheint ja irgendwann mal eine DVD, die diesen Aspekt dann auch den Nicht-Live-Kennern der Band deutlich macht.
Zurück zur Songauswahl: Das vielschichtige „Man Erg“ von Van Der Graaf Generator, original auf dem 1971er Album Pawn Hearts (auf welchem ein gewisser Robert Fripp gastierte) eröffnet den bunten Reigen, bevor das erwähnte Genesis-Medley, zusammengesetzt aus Material der Jahre 1971 bis 1973, den Hörer gleich richtig fordert. Über „Funny Ways“ vom selbstbetitelten Gentle-Giant-Debüt erreichen wir ein Medley der Bandnamensinspiratoren King Crimson, das Hauptbetätigungsfeld des soeben erwähnten Robert Fripp. „Starless“ vom Starless And Bible Black-Album transferierte bekanntlich der auf besagtem Album mitspielende John Wetton auch zu Asia, wobei die dortige Fassung und auch die Perfect-Pair-Livefassung emotionaler ausfallen als die etwas zu vorwärtsgehende Konservenfassung, während „Epitaph“ vom King-Crimson-Debüt In The Court Of The Crimson King wieder alle Stärken Perfect Pairs eindrucksvoll verdeutlicht. Und „Thick As A Brick“ (auf CD nur der erste Teil und selbst der gekürzt) so zu spielen, daß man die Flöte (die auch hier nicht effektsimuliert wird) nicht vermißt, das soll den Italienern erstmal einer nachmachen. Das zweite Zweiermedley beendet die CD – und Überraschung: Auch die musikalischen Materialschlachten von Emerson Lake & Palmer funktionieren in der reduzierten Perfect-Pair-Fassung ohne Probleme und lassen den Hörer ganz neue Qualitäten der Kompositionen entdecken. Vereint sind hier „Take A Pebble“ vom selbstbetitelten 1970er Debütalbum sowie „From The Beginning“, weiland Singleauskopplung vom 1972er Trilogy-Album, das allerdings etwas unambitioniert ausgeblendet wird – hier hätte man der Komposition wie der CD einen „richtigen“ Abschluß gewünscht. Schaut man sich nochmal genau die ursprünglichen Veröffentlichungsdaten an, so stellt man fest, daß alle Originalwerke aus der ersten Hälfte der Siebziger stammen, vom Vorreiter „Epitaph“ (Oktober 1969) mal abgesehen. Das dürfte kein Zufall sein, denn das grundsätzliche Repertoire reicht ja durchaus auch in jüngere Jahrzehnte (man erinnere sich an die Wiedergabe von Dream Theaters „Another Day“ in Naundorf). Aber das Prinzip funktioniert: Die selbstbetitelte Scheibe enthält 47 Minuten Musik auf hohem Niveau in eigenständiger Interpretation und wirkt wie aus einem Guß, was man ja beileibe nicht von jeder Cover-CD behaupten kann. Wer eine originelle Herangehensweise an die beschriebene Stilistik sucht, sollte hier zumindest mal hineinhören (oder – noch besser – die Band bei passender Gelegenheit live begutachten).
Roland Ludwig
Trackliste
1 | Man Erg | 7:46 |
2 | Horizon/Cinema Show/Watcher Of The Skies/Musical Box | 14:07 |
3 | Funny Ways | 4:48 |
4 | Starless/Epitaph | 8:50 |
5 | Thick As A Brick Part I | 4:09 |
6 | Take A Pebble/From The Beginning | 6:14 |
Besetzung
Franco Zampieri (Voc, Electronics)
David Cremoni (Git)
Sbibu (Ground Drums)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |