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Sonaten und Trio
Info
Musikrichtung:
Impressionismus Kammermusik
VÖ: 03.11.2017 (Erato Warner Classics / CD / AD 2016-17 / DDD / Best. Nr. 0190295773960) Gesamtspielzeit: 65:58 |
PRÄZISE SCHWEBEZUSTÄNDE
1918 jährt sich der Todestag von Claude Debussy zum 100. Mal. Grund genug für die großen und kleinen Label, den französischen Komponisten durch pfundschwere Sammelboxen mit Aufnahmen aus dem Backkatalog oder gar Neuveröffentlichungen zu ehren. Während z. B. die Deutsche Grammophon und Warner ihre profunden Debussy-Aufnahmen als attraktive Gesamteinspielungen offerieren, bietet das Warner-Label Erato eine Riege der besten französischen Interpreten auf, um mit einer Einspielung der frühen und späten Kammermusik Debussys unter dem Titel Sonaten und Trio dem Jubiläum ein interpretatorisches Glanzlicht aufzusetzen.
Das viersätzige Klaviertrio in G-Dur mit seinen einprägsamen Melodien und dem schwärmerischen Ton zeigt den achtzehnjährigen Komponisten noch ganz in der spätromantisch-französischen Tradition à la Franck, Fauré, Massenet und Delibes. Dagegen sind die drei Kammer-Sonaten für verschiedene Besetzungen Spätwerke an der Schwelle zur Moderne: neuartig in der gleichsam fließenden Form und in ihrer delikaten Harmonik und Farbigkeit. Debussys schwere Erkrankung und vorzeitiger Tod verhinderten, dass er wie ursprünglich geplant sechs Sonaten komponieren konnte. Gleichsam als Programm-Zugabe gibt es noch das melancholisch-irrlichternde Syrinx, das ursprünglich als Teil der Bühnenmusik für das Schauspiel Psyché von Gabriel Mourey entstand: als Flötenmusik für den Hirtgengott Pan.
Der Violinist Renaud Capuçon, der Flötist Emmanuel Pahud, der Cellist Edgar Moreau, der Viola-Spieler Gérard Causse und die Harfenistin Marie-Pierre Langlamet sowie der Pianist Bertrand Chamayou sind als Solisten weithin bekannte Künstler; die meisten haben sowohl für das Label Erato und seinen Vorgänger Virgin Classics aufgenommen. Was also liegt näher, die künstlerischen Potentiale auf einer Platte zu potenzieren? Auf dieser Einspielung finden sie wie ganz selbstverständlich zu diversen Kammer-Formationen zusammen.
Und obwohl ihre indidviduellen Persönlichkeiten durchaus erkennbar bleiben, entsteht doch ein in sich abgerundetes Programm, das von einem gemeinsamen Debussy-Verständnis getragen wird: Schlank, nobel und biegsam werden die feinen Linien der drei späten Sonaten dargeboten; die artikulatorischen Finessen beleben den musikalischen Fluss, lassen miniaturisierte Szenen und Landschaften entstehen und folgen dem komponierten Spiel steter Verwandlungen. Genauigkeit verbindet sich mit einer gewissen entspannten, quasi-improvisatorischen Lässigkeit. Auch das bei aller Gekonntheit doch eher konventionelle Klaviertrio - es wurde erst 1986 überhaupt veröffentlicht - platzieren die Künstler im besten Licht.
Debussys Kunst, musikalische Formen zum Schweben zu bringen, sie zugleich ganz präzise und offen zu halten, wird dieser Ansatz sehr gerecht. Dazu kommt ein luftiges, resonzreiches Klangbild: unaufdringlich, aber präsent. So entgeht Debussy der Tendenz, ihn zu weich zu zeichnen und in atmosphärisches Ungefähr aufzulösen. Man versteht, wieso insbesondere die Sonate für Flöte, Viola und Harfe für die jungen französischen Komponisten nach 1945 als Ausgangspunkt für eine dezidiert zeitgenössische französische Musik taugen konnte. Der poetische Reiz dieses späten Debussy freilich erweist sich als nicht so leicht fassbar bzw. wiederholbar.
Georg Henkel
Trackliste
04 Syrink für Flöte
05-07 Sonate für Violine und Klavier
08-10 Sonate für Flöte, Viola und Harfe
11-14 Trio für Klavier, Violine und Cello
Besetzung
Emmanuel Pahud, Flöte
Edgar Moreau, Cello
Gérard Causse, Viola
Marie-Pierre Langlamet, Harfe
Bertrand Chamayou, Klavier
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |