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Fancies for Viol
Info
Musikrichtung:
Barock Gambe
VÖ: 06.10.2017 (Ricercar / CD / DDD / 2017 / Best. Nr. Ric 384) Gesamtspielzeit: 74:07 |
GAMBEN-ORGEL
Was diese Einspielung des Ensembles L'Archéron mit einer Auswahl von Fancies - Fantasien - für Gamben-Consort des altenglischen Meisters Orlando Gibbons in besonderem Maße auszeichnet, ist der herrliche Klang der verschiedenen Gamben, die hier in unterschiedlichen Besetzungen vom Duo bis zum Sextett zum Einsatz kommen. Die Sopran-, Tenor- und Bass-Gamben wurden seit 2012 nach englischen Vorbildern des 16. Jahrhunderts gefertigt und sind vom größten zum kleinsten Instrument in den Größenverhältnissen genau aufeinander abgestimmt: 4:3:2.
Der homogene, reife Gesamtklang, der auf dieser "Familie" möglich ist, orientiert sich an englischen Kammerorgeln aus der Zeit. Tatsächlich meint man, einer Art Super-Gambe zu lauschen, einem einzigen prachtvollen Instrument: Wohl noch zuvor nie dürften Gibbons Stücke mit einer derart volltönenen Sonorität aufgenommen worden sein und man versteht den Ensemble Leiter François Joubert-Caillet, wenn er davon spricht, wie bewegt die Musiker gewesen seien, als sie die ersten Akkorde auf den neuen Instrumenten gespielt hätten: Sie hätten die Musik bzw. ihre farbliche und emotionale Essenz gleichsam vom Staub der 400 Jahre befreit gehört, die seit ihrer Entstehung vergangen seien.
Eindrückliche Worte, die durch die die großartige Einspielung unmittelbar beglaubigt werden: Die jungen Musiker von L'Archéron zeigten sich mit den Besonderheiten des Repertoires schon in den vorausgegangenen Consort-Aufnahmen mit Werken von Anthony Holborne oder Samuel Scheidt auf ganz natürliche Weise vertraut; bei ihrer Gibbons-Einspielung kommt aber noch einmal eine über die Jahre gewachsene Sensibilität ins Spiel, die die Musik Gibbons immer wieder zum Leuchten und Schweben bringt.
So enthüllt das Ensemble dem Hörer die ausdrucksvolle, vielstimmige harmonische Tiefe dieser Musik. Da fällt es schon nach wenigen Takten schwer, aus dieser 74-minütigen Klangreise wieder auszusteigen. Gleich mit der monumentalen G-Moll-Fantasie für sechs Gamben, die das Programm eröffnet, ziehen die Interpreten den Hörer gleichsam sogartig in die verschlungenen Kontrapunkt-Labyrinthe Gibbons hinein.
Das Gibbons ein Mann des Frühbarock war, hört man an der neuartigen progressiven harmonischen Struktur der Musik, die sich zudem immer wieder berührt von der Virtuosität und Expressivität der italienischen Schule zeigt - Gibbons war kompositorisch auf der Höhe der Zeit, wahrt dabei aber immer jenen melancholischen Wohlklang, der der englischen Musik seit dem Mittelalter zu eigen ist.
Gerade dieser Wohlklang ist es, den L'Archéron mit seiner "Gamben-Orgel" stets präsent hält, ob es sich um die volle Besetzung handelt oder um Trios oder Duette.
Nicht zuletzt das warme Klangbild Jérôme Lejeunes sorgt dafür, dass die Aufnahme dieses speziellen Repertoires zu einem besonderen Erlebnis wird, das die Fragen nach Epochen oder Stilen obsolet erscheinen lässt: Große Kunst, kompositorische wie interpretatorische, ist immer zeitlos.
Georg Henkel
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |