Reviews
Is this the life we really want?
Info
Musikrichtung:
Art Rock / Rock
VÖ: 04.06.2017 (Columbia / Sony Music) Gesamtspielzeit: 52:09 Internet: http://www.rogerwaters.com |
Sehr geehrter Herr Waters,
als Sie ihr letztes Rockalbum veröffentlicht haben, war die Berliner Mauer gerade knapp vier Jahre gefallen, der Osten öffnete sich. Und ich war ein junger Spund, der gerade seinen Zivildienst verrichtete. Nun, die Zeiten haben sich (wieder) geändert. Inzwischen bin ich 50 Jahre alt geworden und die politisch so scheinbar entspannten Zeiten haben sich wieder in eine andere, unschöne Richtung gewandelt. Erst schleichend, und dann in den letzten Jahren durchaus mit einem Ruck.
Und da Sie bereits spätestens seit 1977, mit dem Pink-Floyd-Album Animals, immer derjenige waren, der die Dinge offen anspricht, scheint es nur logisch, dass sie es nun wieder tun. Was sie dazu bewogen hat, in den vergangenen 25 Jahre mehr oder weniger mit neuer Rockmusik zu schweigen, lassen wir einmal dahingestellt. Fest steht für mich nur, dass Sie wie der Phoenix aus der Asche wieder auftauchen und einfach mal so das Protestalbum des Jahrzehnts raushauen und so ganz nebenbei den, für spätgeborene Pink-Floyd-Fans wie mich, eben den Pink-Floyd-Spirit zaubern.
Ja, Ihr neues Album berührt und fesselt mich wieder wie einst The Final Cut oder The Wall. Es verbreitet textlich wie musikalisch genau diese Gefühle, welche mir einst diese Alben vermittelt haben: Wut, Trauer, Verzweiflung, Sehnsucht, Hilflosigkeit und doch auch Hoffnung.
So sehr ich Ihren ehemaligen Kollegen David Gilmour verehre und schätze: Mit Is this the life we really wanted? legen Sie das erste Pink-Floyd-Album seit The Final Cut vor. Ja, auch Herrn Gilmour, Herrn Mason und Herrn Wright sind gute Alben gelungen, vor allem das letzte, das aus Demos zusammengezimmert aufzeigte, was möglich gewesen wäre. Aber was die, wie gesagt von mir hoch geschätzten Herrn, nicht hinbekommen haben, ist ein Album voll mit an sich einfachen Songs, die soviel Atmosphäre und Gefühl transportieren wie Ihre zwölf neuen Stücke.
Natürlich ist Ihr neues Album keine Neuerfindung Ihrer selbst. Zum Glück muss man sagen. Böse Kritiker werden Ihnen vorwerfen, dass Sie eine Symbiose aus Animals und The Final Cut zusammengezimmert haben, und liegen damit musikalisch sogar richtig. Aber das Gesamtprodukt was daraus entstanden ist, ist einfach nur hörens- und bemerkenswert. Die eindringlichen, ruhigen Stücke zu Beginn, die geniale Neuauflage von "Sheep" mit “Picture that“, das textlich und musikalisch agressive “Broken Bones“. Die abermals geniale Animals-Auflage durch das Titelstück und “Bird in a gale“, das an "Have a Cigar" erinnernde “Smell the roses“ und der sphärisch und nachdenkliche Ausklang des Albums mit den letzten drei Stücken. All dies erzeugt eine Pink-Floyd- (oder besser Roger-Waters-)Atmosphäre die nur Sie können. Ihre Wahl mit dem Produzenten war ebenfalls grandios, wenn ich auch glaube, dass er zwar die vielen moderne Klänge hat einfließen lassen, aber sonst recht wenig zu sagen hatte.
Ach ja, ich bin übrigens froh, dass Sie diesmal darauf verzichtet haben, einen prominenten Gilmour-Ersatz einzusetzen. So sehr ich die Arbeit von Clapton, Andy Fairweather-Low und Jeff Beck auf Ihren Alben mag, was die Gitarrenarbeit betrifft, ist Gilmour nicht ersetzbar. Aber Ihre Musik, Ihre Atmosphären sind gar nicht darauf angewiesen. Die eindringliche akustische Gitarre, die sphärischen Keyboardpassagen, Ihr immer noch starkes Bassspiel reichen völlig aus.
Natürlich möchte ich mich auch für Ihre Texte bedanken. Keiner schreibt wie Sie, und ich vermisse junge Künstler, die Ihre Finger so in die Wunden der Gesellschaft legen wie Sie.
Herr Waters, das einzig schlechte was ich sagen kann ist, dass ich gern in den letzten 25 Jahren mehr von diesen Erlebnissen gehabt hätte. Ich durfte viele unterschiedliche Musiker und Künstler entdecken, viel Neues und Gutes dabei erleben, doch erst jetzt wird mir bewusst, dass da doch eine wichtige Komponente gefehlt hat.
Es ist gut, das sie wieder da ist!
Wolfgang Kabsch
Trackliste
1 | When We Were Young | 1:39 |
2 | Déjà Vu | 4:27 |
3 | The Last Refugee | 4:12 |
4 | Picture That | 6:47 |
5 | Broken Bones | 4:57 |
6 | Is This the Life We Really Want? | 5:55 |
7 | Bird in a Gale | 5:31 |
8 | The Most Beautiful Girl | 6:09 |
9 | Smell the Roses | 5:15 |
10 | Wait for Her | 4:56 |
11 | Oceans Apart | 1:07 |
12 | Part of Me Died | 3:14 |
Besetzung
David Campbell: String Arrangements
Nigel Godrich: Arranger, Engineer, Guitar, Keyboards, Mixing, Producer, Sound Collage, String Arrangements
Holly Laessig: Vocals
Bob Ludwig: Mastering
Roger Manning: Keyboards
Lee Pardini: Keyboards
Gus Seyffert: Bass, Guitar, Keyboards
Joey Waronker: Drums
Jonathan Wilson: Guitar, Keyboards
Jess Wolfe: Vocals
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |