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Heinz Rudolf Kunze

Meisterwerke: Verbeugungen

Info Musikrichtung: Deutscher Schlager / Songwriter VÖ: 30.09.2016 (RCA / Sony) Gesamtspielzeit: 54:13 Internet: http://www.heinzrudolfkunze.de

Heinz Rudolf Kunze ist bei seinen Versuchen das deutsche Liedgut hochzuhalten schon kräftig in das eine oder andere Fettnäpfchen getreten. Jetzt verbeugt er sich vor Meisterwerken, denen eins gemein ist: Sie haben deutsche Texte und sind für den Songwriter irgendwann im Laufe seiner Biographie von Bedeutung gewesen. Das Spektrum ist dabei recht breit. Es reicht von DAF bis zu den Prinzen, von Roy Black zu den Einstürzenden Neubauten, von Freddy Quinn bis Ideal. Die DDR ist mit den beiden im Westen bekanntesten Bands, den Puhdys und Karat, abgedeckt.

Das Ergebnis ist eine Katastrophe. In der Regel bemüht sich Kunze nicht einmal den gecoverten Stücken Neues abzugewinnen. Er versucht schlicht sie zu wiederholen. Aber was sollte er ihnen auch geben. Er war schließlich nie jemand, der große musikalische Akzente gesetzt hat, auch wenn er seine Texte mit wesentlich mehr Liebe zur (Rock)-Musik präsentiert hat, als das Gros der Genre-Kollegen. Seine Stärke waren die oft zynischen, entlarvenden Texte. Und mit dieser Stärke kann er beim Konzept der CD natürlich nicht punkten.

In den Anmerkungen zu „Der Mussolini“ versteigt er sich zu der Bemerkung: „Mit meinem Gesang hier versuche ich wirklich, Gabi Delgado zu `verkörpern´“. Mal abgesehen davon, dass dieser Versuch massiv in Beinkleid geht, fragt man sich natürlich, wozu braucht man von einem gestanden Musiker wie Heinz Rudolf Kunze Wiederholungen, wie von einer Feierabendband.

Kunze wildert besonders stark im deutschen Schlager und in der Neuen Deutschen Welle. Bei ersterer fragt man sich, ob man das wirklich wiederholt haben möchte. Bei Letzterer war immer so etwas wie anarchischer Spaß an der Sache zu verspüren – ein klares Bekenntnis dazu, dass man das, was man hier macht, eigentlich nicht ganz ernst mit.

Aber Kunze scheint hier alles wirklich ernst zu meinen – selbst das Cover von Roy Blacks „Ganz in Weiss“. Völlig den Verstand verloren hat er offenbar bei den Linernotes, wenn er Gerd Höllerich (so der bürgerliche Namen von Roy Black) posthum das Mutterkreuz verleihen will, weil Black mit seinem Song so viele Ehen gestiftet habe. Zu Erinnerung: Das in drei Stufen erteilte Mutterkreuz war eine Art Gebärprämie, die im Dritten Reich Frauen zugesprochen wurde, die dem deutschen Volk möglichst viele neue Bürger gebar – solange diese Neubürger „deutschblütig“ und die Mütter „erbgesund“ waren.

Heinz Rudolf Kunze ist, oder war, einer der sprachgewaltigsten deutschen Liedermacher, der mit seinen oft kryptischen Texten jedem Deutschlehrer ideales Material für Textinterpretationen lieferte. Musikalisch drehte er auf, als er sich mit „Dein ist mein ganzes Herz“ dem Rock’n’Roll zuwandte. Und ja, er konnte das alles gut singen. Was noch lange nicht bedeutet, dass er ein begnadeter, wandlungsfähiger Sänger ist.

Bei der Kopie seiner Meisterwerke tritt er nun gegen eben Sänger an, die gerade durch ihr Charisma als Sänger/innen wirkten und dadurch oft banale Texte oder baren Unsinn zu musikalischen Highlights machten. Heinz Rudolf Kunze verfügt weder über die Frechheit von Ideal, noch über das ironische Augenzwinkern der Ärzte oder den Wiener Schmäh von Udo Jürgens. So brav und bieder, wie er bei seiner Version von „Alles aus Liebe“ wirkt, sind die Toten Hosen selbst heute noch nicht.

Mit diesem Album leistet einer der profiliertesten und kreativsten Songwriter Deutschlands sich selbst und dem deutschen Liedgut einen Bärendienst. Kunze wirkt wie ein tapsiger Großvater, der versucht bei seinen (Ur)Enkeln mitzuspielen.

Norbert von Fransecky