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Streichquartette Nr. 1-3, Klavierquintett
Info
Musikrichtung:
Romantik Kammermusik
VÖ: 02.09.2016 (Alpha / 2 CD / DDD / 2014 -2015/ Best. Nr. Alpha 248) Gesamtspielzeit: 150:50 |
DIE MACHT DER TRADITION
Aufgewühlt drängend, mit leidenschaftlicher romantischer Geste beginnt Johannes Brahms unter großen Zweifeln und Mühen komponiertes Streichquartett Nr. 1 - was den skrupulösen Schaffensprozess und den gärend-expressiven Ton angeht, ähnelt es seiner ersten Sinfonie. Beide Werke sind gewissermaßen gattungsgeschichtliche Vollendungsversuche und zugleich Befreiungsschläge von übermächtigen traditionellen Vorbildern. Brahms saß nicht nur der Klassikübervater Beethoven buchstäblich im Nacken, auch die Maßstäbe, die Schubert, Mendelssohn sowie Schumann gesetzt hatten, forderten ihn heraus.
Dass letzterer ihn zum Beethoven-Nachfolger ernannt hatte, sorgte eher für eine Blockade, als dass es Brahms Talent zur freien Entfaltung getrieben hätte. Zwanzig Quartette wurden begonnen und verworfen. Am Ende blieben drei übrig, die Brahms gelten ließ. Man kann sie nicht nur als spätromantische Auseinandersetzung mit der Gattung Streichquartett hören, sondern auch als kreatives Psychogramm: Das erste markiert einen Auf- und Ausbruch; das zweite atmet angesichts der eindrücklich unter Beweis gestellten technischen und kreativen Fähigkeiten gewissermaßen erleichtert durch; das aus einer späteren Phase stammende dritte Quartett darf sich dagegen geradezu heiter und gelassen geben.
Das Belcea-Quartett vollzieht diesen Prozess, der sozsuagen mit der Tragik beginnt und mit einem Lächeln endet, nach. Schon bei der ersten Aufnahme der des 1. Quarttet op. 51 sorgten die Belceas vor nunmehr 13 Jahren bei der EMI in etwas anderer Besetzung für Aufsehen. Auch nach dem Wechsel an zwei Pulten bleiben sie der Gesamteinspielung aller drei Quartette nichts an lyrischer Kraft, klanglicher Ausdrucksintensität und struktureller Klarheit schuldig. Die aus Rumänien stammende Gründerin Corina Belcea prägt mit ihrem in der osteuropäischen Tradition verwurzelten Geigenton nach wie vor die Klangkultur dieses Ensembles.
Die vor einiger Zeit erschienene Aufnahme des Artemis-Quartetts, das sich dem 1. und 3. Quartett gewidmet hat, wirkt im Vergleich dazu strenger, kühler, gewissermaßen "klassischer". Das Belcea-Quartett betont dagegen die quasi-sinfonische Dimension von Brahms Kammermusik und unterstreicht die orchestrale, romantische Seite. Der Strich ist breiter, körperlicher, aber nicht "fett". Wieder besticht das Spiel von Licht und Schatten, dem sie subtil nachspüren, wobei der Ausdruck gegenüber der ersten Aufnahme noch einmal gesteigert scheint.
Die atmosphärische Qualität, die in Brahms chromatisch satter Schreibweise und labyrinther Motiverzahnungen mit ihren ständigen Farb- und Stimmungswechseln bereits angelegt ist, wird überzeugend ausgespielt.
Dies gilt auch für das Klavierquintett op. 34, bei dem sich Till Fellner am Flügel zum Quartett gesellt; die großen Auf- und Abschwünge des Eröffnungssatzes werden mit hymnischer Intensität ausgekostet, im Wechsel mit den zarten, lyrischen Passgagen. Felleners Spiel ist organisch in das Stimmgewebe eingebungen, vermeidet pianistische Überbrillanz und verbindet sich so überzeugend mit dem warmen, reichen Klang des Belcea-Quartetts. Gleichwohl setzt er Akzente, die vor allem den finalen Satz mit seiner unerbittlich pochenden rhythmischen Figurationen vorantreiben - hier ist es das Belcea-Quartett, das sich von ihrem Gast inspirieren lässt.
Der Klang der Aufnahme ist voll, präsent, angenehm unmittelbar.
Georg Henkel
Trackliste
01-04 Streichquartett op. 51, Nr. 1
05-08 Streichquartett op. 51, Nr. 2
CD II: 78:54
01-04 Streichquartett op. 67
05-08 Streichquintett op 34
Besetzung
Belcea Quartet
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |