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Kagel by Mauricio Kagel
Info
Musikrichtung:
Chor und Orchester (Moderne)
VÖ: 08.11.2004 Hänssler Classic / Naxos CD ADD (AD 1981/84) / Best. Nr. 93.054 Gesamtspielzeit: 54:08 |
SCHRÄGE SPÄSSE
Das renommierte SWR Vokalensemble Stuttgart steht wie manch anderes Aushängeschild der deutschen Kulturlandschaft auf der Streichungsliste. Weltniveau? Wen kümmert das schon: Die vorzügliche Arbeit der Sänger/innen vor allem im Bereich der Neuen Musik passt nicht in das gegenwärtige Quoten- und Spar-Konzept der Rundfunkanstalten.
Hört man diese inzwischen 20 Jahre alten Aufnahmen aus dem SWR-Archiv mit Musik von Mauricio Kagel (*1931), dann weiß man, was auf dem Spiel steht. Der Chor meistert die schwierigen Partituren bravourös und mit Witz. Dass Kagel „Musik über Musik“ macht und die avantgardistische Attitüde häufig durch Ironie und Slapstick konterkariert, darauf sollte man freilich auch als Hörer vorbereitet sein.
Bei Rrrrrrr handelt es sich um sieben Chorstücke mit und ohne Klavierbegleitung, die aus einem sehr viel umfangreicheren Zyklus stammen, deren Werke allesamt mit „R“ beginnen. „Rrrrrrrr“ tönt es gleich zu Beginn, es geht weiter mit einem „Requiem“ (bei dem die Stimmen schön theatralisch bibbern) und einem „Resurexit Dominus“. Auch beim „Rex tremendae“ werden Traditionen der Sakralmusik zitiert, verfremdet, überzeichnet und auf den Kopf gestellt. „Romance“ klingt wie ein Stücke spanische Folklore, deren harmonisches Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist: eigentümlich schräg und welk wirkt der Wechselgesang zwischen Männer- und Frauenstimmen. Ähnlich verhält es sich mit den „Ring shouts“, eine Art übersteuerter Reigentanz. Die „Reverie“ auf ein Gedicht von Friedrich Rückert beschwört dagegen den Geist der Romantik, der hier verloren durch unwirkliche Klangräume irrt.
Gut gefallen hat mir auch das umfangreiche Mitternachtsstück für Stimmen und Instrumente. „Helge Schneider in Kunst“ sozusagen. Tagebuchzitate von Robert Schumann werden hier in ein skurriles Hörstück verwandelt. Bei der überzogen pathetischen Darbietung, dem gewichtigen Raunen der Stimmen und dem pointierten Einsatz von Instrumenten und Geräuschen fehlt eigentlich nur noch das berühmte „Hurtz!“.
Das älteste Werk auf dieser Platte, Anagramma, atmet dagegen stärker den Geist der 50er Jahre: eine kleinteilige, hochkomplexe Sprachkomposition, bei der die vokalen Partikel mehr oder weniger organisiert „chaotisch“ auf das Ohr des Hörers treffen.
Für Leute, die schon alles haben.
Georg Henkel
Trackliste
08-12 Anagramma für vier Gesangsoli, Sprechchor und Kammerensemble (1957/58)
19:17
13-15 Mitternachtsstück für Stimmen und Instrumente (1980/81) 18:34
Besetzung
Ltg. Mauricio Kagel
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |