Reviews
Live In Paris 2015 (DVD)
Info
Musikrichtung:
Classic Rock
VÖ: 12.02.2016 (Soulfood Music) Gesamtspielzeit: 144:00 Internet: http://wishboneash.com |
Wishbone Ash stehen bei Gitarren-Fanatikern nach wie vor hoch im Kurs. Der von ihnen geprägte Twin-Gitarren-Sound hat nachweislich Bands wie Thin Lizzy, Judas Priest oder Iron Maiden schwer beeindruckt. Mittlerweile ist die Band immer noch live und mit dem aktuellen Studioalbum Blue Horizon im Gepäck unterwegs. Zur aktuellen Besetzung gehören Ur-Mitglied Andy Powell (Gesang, Gitarre), Muddy Manninen (Gitarre), Bob Skeat (Bass) und Joe Crabtree (Schlagzeug).
Das Konzert der vorliegenden DVD enthält das letzte von dreien, die an Pfingsten 2015 im Le Triton in Paris stattgefunden haben. Es wurden an dem Abend Songs gespielt, die schon lange nicht mehr berücksichtigt worden sind. Auch die Spielzeit von 140 Minuten ist sehr hoch, normalerweise dauert ein Wishbone-Ash-Konzert 90 Minuten.
Der Sound ist hervorragend - sehr warm und trocken. Das Live-Feeling stellt sich bei mir sofort ein, da auch die Kameraführung unaufgeregt und relaxt abläuft und man beim Schauen keine Augenschmerzen bekommt. Die Bühne ist verhältnismäßig winzig, so kompakt sieht man Wishbone Ash auch in kleineren Clubs eher selten. Auf Bühnenshow und Herumgekaspere wird konsequenterweise verzichtet. Hier regiert die Musik - nicht mehr und nicht weniger. Von Unlust- oder Abnutzungserscheinungen ist nichts zu erkennen, die Jungs haben sichtlich Spaß auf der Bühne.
Muddy Manninen - keiner leidet beim Solo so schön wie er - überzeugt gleich beim Opener „The Power“ mit einem genialen Slide-Gitarren-Einsatz. Die gewagte Setlist - manche Lieder wurden sicher schon ewig nicht mehr live berücksichtigt - macht jedoch deutlich, wie vielseitig die Musik von Wishbone Ash ist. Und sie motiviert dazu. Alte Alben wie Front Page News, Just Testing (wegen „Lifeline“) oder das unterbewertete Number the Brave, von dem der treibende Titelsong gespielt wurde wurden mal wieder heraus gekramt. Die komplette Band beweist dabei eine hohe musikalische Virtuosität. Man vergleiche die Setlist mit der vom letzten Jahr und es wird klar, dass doch etliche Änderungen vorgenommen wurden. Aufgrund dessen konnten leider Klassiker wie „Blowin Free“, „Living Proof“ oder Songs vom für mich unverzichtbaren Album Bona Fide nicht berücksichtigt werden.
Die Twin-Gitarre regiert, wohin man schaut. Andy Powell, der an diesem Abend hervorragend bei Stimme und Laune ist, präsentiert das Markenzeichen der Band zusammen mit Muddy in einer traumwandlerischen Sicherheit und Klasse. Das wird vor allem bei den Stücken aus den 70ern deutlich, wie z. B. gleich zu Beginn bei „Warrior“ oder „Throw Down The Sword“. Etwas schade ist, dass Andy Powell kaum mit dem Publikum Kontakt aufnimmt. Es wäre sicher interessant, zu dem einen oder anderen Song eine kleine Anekdote zu erfahren. Der dominante Bass - früher von Martin Turner gespielt - war immer ein Markenzeichen bei Wishbone Ash. Diese Funktion übernimmt seit 1997 der zuverlässige, bescheidene und überaus präzise Bob Skeat. Zusammen mit dem lässigen Joe Crabtree sorgt er dafür, dass die teilweise komplizierte Rhythmusarbeit sehr locker uns leicht aussieht. Allein, wenn man sich auf die beiden konzentriert, ist das Konzert ein Erlebnis.
Das vertrackte „Pilgrim“ zeigt anschaulich eine aberwitzige, abgefahrene Lehrstunde im Sinne davon, wie eine perfekt eingespielte Band funktionieren sollte. AC Powell, der Sohn von Andy Powell hat bei einigen Songs Gastauftritte, die er mit Percussion- bzw. Akustik-Gitarre verstärkt. „Front Page News“ bekommt so dadurch eine ganz andere Dimension. Bei „Open Road“ lassen Powell und Manninen ihrer Improvisationslaune freien Lauf und duellieren sich nach allen Regeln der Kunst. Der flotte Dreier „The King Will Come“, „Leaf And Stream“ und “Persephone“ bildet den perfekten Abschluss eines rundum gelungenen Auftritts.
Zwei Negativpunkte:
1. Das Publikum. Richtige Begeisterung sieht anders aus, hier war in Augsburg oder Dornstadt letztes Jahr bei beiden Konzerten wesentlich mehr los. Die Musiker spielen sich förmlich den Arsch ab.
2. Es gibt keinerlei Bonusmaterial. Das Medium DVD bietet hier so viele Möglichkeiten. Zumindest zu einem Interview oder ein paar Backstage-Sequenzen hätte man sich hinreißen lassen können.
Die DVD bietet bei tollem Sound und Bild ein perfektes Wishbone-Ash-Konzert. Und die gute Nachricht: Auch 2016 werden Powell und Co. wieder live unterwegs sein. Hingehen!
Stefan Graßl
Trackliste
1 | The Power |
2 | Blue Horizon |
3 | Way Down South |
4 | Warrior |
5 | Throw Down The Sword |
6 | Heavy Weather |
7 | Lifeline |
8 | Surface To Air |
9 | The Pilgrim |
10 | Baby What You Want Me To Do |
11 | Invisible Thread |
12 | Number The Brave |
13 | Lady Whiskey |
14 | Disappearing |
15 | Front Page News |
16 | In Crisis |
17 | Open Road |
18 | the King Will Come |
19 | Persephone |
20 | Leaf And Stream |
Besetzung
Muddy Manninen (Gitarre)
Bob Skeat (Bass)
Joe Crabtree (Schlagzeug)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |