····· Wolvespirit verkaufen Bullshit ····· Rock of Ages - Zusatzshows in 2025 ····· Ally Venable veröffentlicht Video zur neuen Single „Do you cry“ ····· Das zweite Album von Wizrd kommt zum Nikolaus ····· 40 Jahre Helloween - Das muss gefeiert werden ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Reviews

Cage, J. (Zenz, K. u. a.)

Sämtliche Werke für Flöte 1


Info

Musikrichtung: Neue Musik Kammermusik

VÖ: 27.11.2015

(Naxos / Naxos / CD / AD 2013 / DDD / Best. Nr. 8.559773)

Gesamtspielzeit: 62:53

KLANGLANDSCHAFTEN

Das Programm dieser CD mit Flötenmusik von John Cage ist wie ein meditativer Spaziergang: Zunächst durchschreitet (oder besser: durchlauscht) man zwei Zen-Gärten. Im Fall von Ryoanji ist das durchaus wörtlich zu nehmen, den Cage "übersetzte" für dieses Stück die Form und Anordung der Felsen aus dem gleichnamigen berühmten Trockengarten in Kyoto in eine Partitur. Während das monotone Klopfen des Schlagzeugs im Hintergrund (Maxim Mankovski) den geharkten Kies repräsentiert, setzen die jeweils von den Interpreten zu wählenden Stimmen oder Instrumente die Felsformation in Gestalt von glissandierenden Kurven in diesen Klangrund hinein. Das hat in diesem Fall eine etwas geisterhafte Wirkung. Die Flötenstimmen - die Haupt-Interpretin Katrin Zenz spielte sämtliche Partien im Playbackverfahren ein - klingen mal wie das Heulen des Windes, mal wie verlorene Stimmen oder auch wie eine japanische Bambusflöte, die Shakuhachi. Ein Stück von fremdartiger Schönheit, in einem Niemandsland zwischen Menschenkunst und Naturlaut angesiedelt.

Anders ist der 2. "Klanggarten" gestaltet: Two ist das erste der späten Number-Pieces, in denen Cage eine fragile harmonische Musik komponierte, deren Erscheinung durch den Gebrauch von flexiblen Timebrackets für die Einsätze von Aufführung zu Aufführung sich verändern kann. Die langenen gehaltenen Töne der Flöte scheinen den Horizont einer Landschaft zu markieren, während das Klavier (Ludovic Frochot) in diese imaginäre Weite hinein variable Tonkomplexe setzt.

Nach diesen beiden meditativen Stücken schreitet der Hörer weiter durch ein dreiteiligies Tor, das wie eine orientalische Schnitzarbeit wirkt: die Three Pieces for Flute Duet von 1935 sind Frühwerke Cage, sehr chromatisch und virtuos, dabei aber auch sehr abstrakt - man spürt schon hier den Wunsch, die klassische, prozessorientiere abendländische Kompositionsweise hinter sich zu lassen und zu einer eher statischen Musik zu kommen (Flöte Nr. 2: Uwe Grodd).

Dieses Ideal ist in stark zufallsbestimmten Stücken wie Music for Two von 1984/87, das hier in einer Fassung für Flöte und Klavier (Chara Iacovidou) erklingt, verwirklicht: Regellos scheinen verschiedene Klangereignisse aufeinander zu folgen; allerdings gibt es sich wiederholende Module und immer wieder auch Momente von fast schon "klassischer" Schönheit, wenn sich kurze, zusammenhängende melodische Episoden entwickeln, die erneut den Klang einer Shakuhachi heraufbeschwören. Nachdem man das "Tor" der drei Duette druchschritten hat, tritt man sozusagen aus den geordneten Gärten in eine Landschaft oder eine Stadt hinaus, auf deren Wegen man sich frei bewegt, mitunter an bekannten Orten oder Personen noch einmal vorbeikommt und das schon einmal Gesehene (Gehörte) aus neuer Perspektive wahrnimmt. Manchmal konzentriert sich die Musik auf ein kleines Detail, einen flüchtigen Moment; dann wieder scheint sie eine komplexe Situation in Blick zu nehmen und sich darin zu vertiefen. Das freilich sind lediglich Assoziationen. Am Ende ist eine Reise im Klang, der nichts anderes ist als Klang, der kommt und geht und sich wandelt wie das Leben. Jeder neue Moment ist DER EINZIGE Moment, auf den es ankommt.

Sicherlich ist nicht nur dieses letzte Stück auf der CD eine besonderer Herausforderung; man muss den zenbuddhistischen Hintergrund des Komponisten verstehen, um eine angemessene, offene Hörhaltung einzunehmen. Auch wegen der kundigen Interpreten ermöglicht dieses klug komponierte Programm eine faszinierende Hörerfahrung; etwas störend sind allenfalls die praktisch nicht vorhandenen Übergänge zwischen den Stücken. In Cage Musik ist die Stille ein integraler Bestandteil. Mehr Luft zwischen den Stücken ermöglicht den Hörenden, die Musik noch etwas nachklingen zu lassen, bevor sie sich dem nächsten Programmpunkt zuwenden.



Georg Henkel

Trackliste

01 Ryoanji (1984) 18:46
02 Two (1987) 10:01
03-05 Three Pieces for Flute Duet (1935) 5:59
06 Music for Two (1984/87) 28:07

Besetzung

Katrin Zenz & Uwe Grodd: Flöte
Maxim Mankovkis: Schlagzeug
Ludovic Frochot & Chara Iacovidou: Klavier
Zurück zum Review-Archiv
 


So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger