Reviews
Nicht Sterben, Aufpassen
Info
Musikrichtung:
Deutsche Avantgarde / Psychedelik / Postrock
VÖ: 20.09.2015 (Staubgold) Internet: https://theschwarzenbach.wordpress.com/ |
Knapp drei Jahre nach dem fantastischen Debüt Farnschiffe haben sich Das Kammerflimmer Kollektief und Diethmar Darth zum zweiten Mal zu The Schwartzenbach vereinigt und liefern mit Nicht sterben, aufpassen neun neue Stücke ab.
Eröffnet wird das Album von “Zarte Blüte Hass“, das deutlich zeigt, dass sich The Schwarzenbach ähnlich wie Das Kammerflimmer Kollektief gewandelt hat. “Zarte Blüte Hass“ ist ein sperriges Stück Psychedelik, die poppige Eingängigkeit des Erstlings ist hier völlig verschwunden. Der Standbass liefert sich mit der sägenden und knarzenden Gitarre ein giftiges, raues aber trotzdem atmosphärisches Duell. Hierzu trägt auch die punktuell eingesetzte Elektronik bei. Zurück zu den Wurzeln geht es dann mit dem folgenden “Gesicht Freihändig“. Hier sind wieder die poppigen elektronischen Beats, die blubbernden Synthies und die verkifft klingenden psychedelischen Sounds. Wunderbar trifft hier Poppigkeit auf Virituosität und formt einen zynischen Popsong.
Wesentlich rauer geht es auf “Toleranz Heucheln zu“. Hier dominiert ein aggressiv angeschlagener Standbass, knarrende Streichersounds. Die elektronischen Sounds schaffen trotzdem die typische The-Schwarzenbach-Atmosphäre und formen so so etwas wie Psychedelic-Punk. Zurück ins poppige geht es dann mit “Mänkmol Mein I“, welches den Bogen zu den atmosphärisch schönen, melancholischen Stücken des Kammerflimmer Kollektiefs schlägt: Der pumpende Bass, ein entfernt erklingendes Vibraphon, pochende Perkussion. Darüber spielt sich eine wundervoll einfache und doch verspielte elektrische Gitarre und getrieben wird dieses wundervolle Stück von der stoisch erklingenden Mundtrommel (?).
Einen fast psychedelischen Leckerbissen bietet dann “Stark genug“. Blubbernde Elektronik umschwirrt den Hörer, der akustische Bass pumpt in gewohnter Manier und die vertrackte Perkussion inklusive Xylophon tut ihr übriges. Die Sensation in diesem wiederum sehr eingängigen Stück ist jedoch die Gitarre, die sanfte, schwirrende Sounds produziert, die einfach nur faszinieren. Rockiger wird es dann mit “Lass das bleiben“. Hier kommt dann wieder der etwas rauere Ansatz zum tragen. Eine kantige Gitarre, begleitet von treibenden Bass und Perkussionen und fast keine elektronischen Spielereien. Auch der Gesang wurde hier extra au aufgenommen, um diese Atmosphäre weiter zu spinnen. The-Schwarzenbach-Punk.
“Leider bin ich tot“ ist dann wohl das seltsamste und traurigste Liebeslied, welches ich je gehört habe. Textlich wie musikalisch unglaublich romantisch angelegt, stellt das Stück am Ende irgendwie halt eine tieftraurige Verabschiedung von dem Leben und den Gefühlen dar. Musikalischer kann man ein melancholisches Stück nicht gestalten. Der tiefe Bass wummert wehmütig, schwebende Klänge umranken den Hörer. Das Keyboard spielt eine traurige, psychedelische Klanglandschaft. Wundervolle Musik, bei der einem beim Hören des Textes jedoch auch ein kalter Schauer den Rücken runter laufen kann.
“Konterlied“ dreht dann alles wieder auf rauen Postrock. Bass, verzerrte Gitarrenakkorde, aggressiver Gesang und seltsame, ebenso aggressive Sounds aus der Gitarre (?) und dem Synthie formen ein weiters Stück zwischen rauem Bluesrock und Psychedelik. Beendet wird das Album mit “Gegen Ende“. Dieses eröffnet mit elektronischen Klängen, zu denen sich dann bald die typischen Kammerflimmer-Kollektief-Klänge gesellen. Somit wird das Album mit einem schönem, melancholischen Psychedelikstück beendet, das den Hörer in Harmonie und einer gewissen Entspanntheit entlässt. Jedoch in einer nachdenklichen.
Beim ersten Hören dieses schönen Albums war ich zunächst etwas enttäuscht, da Nicht Sterben, Aufpassen eben nicht so direkt ins Ohr geht wie der Vorgänger, was sicherlich auch an dem kantigen Eröffnungsstück liegt. Andererseits bietet dieses Album viel zu entdecken, die Texte sind ein stückweit kryptischer und fordern die Fantasie ebenso wie die Musik etwas stärker als der Vorgänger. Etwas störend finde ich den etwas zu oft gewählten Wechsel der deutschen und englischen Sprache. Unter dem Strich ist dieser Zweitling etwas rauer und wenige zugänglich als das Debüt. Trotzdem ist Nicht Sterben, Aufpassen Postrock auf dem allerhöchsten Niveau, das nicht nur in Deutschland seines Gleichen sucht.
Wolfgang Kabsch
Trackliste
Gesicht Freihändig
Toleranz Heucheln
Mänkmol Mein I
Stark Genug
Lass Das Bleiben
Leider Bin Ich Tot
Kontersong
Gegen Ende
Besetzung
Johannes Frisch: Bass
Thomas Weber: Elektrische Gitarre, Elektronik
Diethmar Dath: Gesang, Texte
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |