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Ondes Martenot
Info
Musikrichtung:
Onedes Martenot und Ensemble
VÖ: 30.08.2004 Naxos / Naxos CD DDD (AD 1987-2003) / Best. Nr. 8.555779 Gesamtspielzeit: 73:47 |
PIEPSEN, PFEIFEN, HEULEN, FAUCHEN …
Das Ondes Martenot gehört zur den exotischsten Klassikern unter den Instrumenten der Moderne: Erfunden hat diesen Synthesizer auf Röhrenbasis der Franzose Maurice Martenot (1898-1980). Als er das Gerät 1928 erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorstellte, sorgte er für einiges Aufsehen. Der Grundfarbe des einstimmigen Instruments changiert zwischen singender Säge und Glasharmonika, lässt sich aber über Steuerungsfilter und diverse Lautsprecher auf vielfältige Weise abwandeln. Glissandi, Mikrointervalle, Vibrato und Non-Vibrato - schier unbegrenzt sind die Möglichkeiten, den Einzelton oder -klang zu modulieren: Mal klingt es wie reinste Sphärenmusik, mal wie Vogelzwitschern; hier meint man eine E-Gitarre zu hören, dort eine gläserne Glocke; was in einem Moment zart und zerbrechlich tönt, kann im nächsten Augenblick schauerliche Urweltlaute von sich geben. Manchmal ist die Nähe zur menschlichen Singstimme verblüffend, dann wieder meint man Artoo-Deetoo aus Star Wars zu erkennen.
Obschon das Instrument eher eine spezielle Erscheinung blieb, haben sich doch bis in die unmittelbare Gegenwart immer wieder Komponisten mit seinen Möglichkeiten beschäftigt. Ein stilistisch denkbar breites Panorama bietet diese Produktion mit dem Ondisten Thomas Bloch (*1962), der mit zahlreichen Ersteinspielungen aufwartet. Eröffnet wird das Programm durch eine kurze, sanft exotisierende Etude mit Klavierbegleitung von Olivier Messiaen (1908-1992). Messiaen hat das Ondes Martenot sehr geschätzt; in seiner Franziskus-Oper kommen gleich drei Stück davon zum Einsatz!
Geradezu klassisch disponiert wirkt die konzertante Fantasie von Bohuslav Matrtinu (1890-1959), wo das Ondes an die Stelle einer Violine oder eines anderen typischen Soloinstruments tritt (der Beginn des Stücks klingt fast wie von Michal Nyman).
An die effektvolle Filmmusik zu einem imaginären James-Bond-Streifen denkt man beim dreisätzigen, sehr rhythmischen Kyriades von Bernhard Wisson (*1948). Weltraum-Assoziationen weckt dagegen das psychedelische Mare Teno von Michele Redolfi (*1951). Natürlich eignet sich das Ondes Martenot besonders für solche atmosphärischen Klangbeschwörungen. Thomas Bloch, der mit drei eigenen Kompositionen vertreten ist, demonstriert dagegen mit Lude 9.6 oder Formule, dass sich auch klarer definierte, komplexe Strukturen realisieren lassen. Der collagenhafte Nightmare von Lindsay Cooper ist dafür ebenso ein Beispiel wie die avantgardistisch-animalische Klangwelt von Etienne Rolins (*1952) Space Forest Bound. Die Grenzen zwischen U- und E-Musik sind in allen Fällen fließend, ebenso die von Ernst und Humor, von Ironie und Kitsch (Blochs finale Sweet Suite lässt sich wie eine Kreuzung aus Arvo Pärt und Panflöten-(Alb)Träumen vernehmen!).
Fans elektronischer Musik, Neugierigen und solchen Leuten, die schon alles andere haben sei diese auch technisch einwandfreie Produktion ohne Einschränkung an die Ohren gelegt.
Georg Henkel
Trackliste
02 Thomas Bloch: Formule 03:31
03-05 Bernhard Wisson: Kyriades 16:18
06 Michel Redolfi: Mare Teno 07:23
07 Thomas Bloch: Lude 9.6 02:18
08 Lindsay Cooper: Nightmare 06:09
09 Bohuslav Matrtinu: Fantasie 15:28
10 Olivier Tochard / Thomas Bloch: Euplotes 2 05:02
11-13 Etienne Rolin: Space Forest Bound 05:23
14-16 Thomas Bloch: Sweet Suite 09:27
Besetzung
Thomas Bloch Waves Orchestra
Susan Belling, Stimme
Marek Swatowski, Oboe
Etienne Rolin, Flöte und Saxophon
Bernard Wisson, Klavier
Olivier Touchard / Michel Redolfi, Electronics
Pomerian Quartet
Paderewski Philharmonic Orchestra
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |