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Reviews

Campra, A. (Schneebeli, O.)

Tancrède


Info

Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 05.06.2015

(Alpha / 3 CD / DDD live / 2014 / Best. Nr. Alpha 958)

Gesamtspielzeit: 166:00

BAROCKES THEATERFEST

Als eine barocke Variation der "Westsidestory" bewirbt Outhere/Alpha André Campras Oper Tancrède. In der Tat ähnelt die tragische Lovestory zwischen dem christlichen Kreuzritter Tancredi und der Sarazenenkriegerin Clorinda dem klassischen Romeo&Julia-Plot. Den Liebenden ist es aufgrund tragischer schicksalhafter Verwicklungen nicht vergönnt, ihre Liebe zu leben. In einem Fall sind es verfeindete Familien, im anderen Fall religiöse und politische Gegensätze, die ein Happy End verhindern. In Campras Oper, die auf stark bearbeiteten Episoden aur Torquato Tassos Renaissance-Kreuzkrieger-Epos "Das befreite Jerusalem" beruht, tötet Tancredi seine Geliebte, weil er sie auf dem Schlachtfeld nicht erkennt. Da wir aber in einer französischen Barockoper sind, bedarf es noch einiger Nebenfiguren, darunter ein eifersüchtiger Nebenbuhler, eine unglückliche Verschmähte und ein böser Zauberer samt Dämonen und andere Fantasy-Wesen, die das ihrige dazu beitragen, um aus der im Grunde einfachen Geschichte einen geschickten Mix aus Effekt und Affekt, aus großem Auftritt und intimer Szene zu machen.

Und so, nämlich mit viel stimmigem Theaterdonner, vokaler Leidenschaft und instrumentaler Energie, präsentieren auch Oliver Schneebeli, Les Chantres Du Centre De Musique Baroque de Versailles, das Orchestre Les Temps Presents und ein versiertes Solistenensemble dieses "missing link" zwischen den reifen Opernwerken Lullys und den späteren eines Rameau. Dabei ist Campras Oper, wenngleich noch weitgehend dem Stil Lullys verhaftet, insgesamt ein wirklich reiches Werk, das durch seine prächtig ausgemalten wechselnden Szenen und differenzierten Charakterisierungen der Hauptfiguren für sich einnimmt. Campra gelingt es außerdem auf diskrete Weise, italienischen Lyrismus, eine reichere Palette an obligaten Klangfarben und eine überhaupt komplexere Schreibweise in das strenge Regelgerüst der französischen Musiktragödie zu integrieren. Das Publikum war seinerzeit begeistert - es war einer der wenigen wirklichen Opernerfolge nach Lullys Tod. Dazu dürfte auch die Präsentation eines doch recht menschlichen, ergreifenden Themas auf der sonst von Göttern und mythischen Heroen bevölkerten Barockbühne beigetragen haben. Und auch wenn musikalisch keine Nummer besonders heraussticht: Zu hören gibt es kein Mittelmaß. Campra gehört zu den führenden Komponisten seiner Zeit.

Was Schneebelis Interpretation auszeichnet, ist die große Lebendigkeit und der Einsatz von diversen Klangmitteln, um das Drama in größtmöglicher Farbigkeit vor den Ohren der Hörer auszubreiten. Da ähnelt er fast ein wenig René Jacobs. Dass es sich um einen Livemitschnitt handelt, kann man an einer gewissen Rauigkeit und gelegentlichen Bühnengeräuschen, v. a. den Auf- und Abtritten der Tänzerinnen und Tänzer, hören. Stören tut das aber kaum, im Gegenteil: Es intensiviert die theatralische Wirkung.
Selten hört man so viel glitzerndes improvisiertes Beiwerk im Continuo. Dazu kommen passende und sehr atmosphärische Effekte im Instrumentalspiel. Die Sängerinnen und Sänger des Chors geizen nicht mit vokalen Maskeraden, wenn es z. B. bei der Beschwörung unterweltlicher Mächte erforderlich ist. Und die Solisten agieren mit viel Gespür für die dramatischen Ausdrucksspitzen der Musik. Auch hier stört es nicht, wenn Gesang und Aktion nicht immer ganz porentief rein und ebenmäßig sind, weil die Wirkung nicht verfehlt wird.
Benoît Arnould verleiht der Hauptfigur mit seinem kraftvollen, leuchtenden Bariton eine männlich-markante Charakterisierung; lediglich bei den Verzierungen würde man sich manchmal mehr Leichtigkeit und Eleganz wünschen. Isabelle Druet ist als Clorinda eine adäquate Partnerin: Ihre leidenschaftliche, reich schattierte Stimme passt zu der amazonenhaften Kriegerin - sie kann Arnoulds Tancredi auf Augehöhe begegnen. Auch die kleineren Rollen sind bestens besetzt.
Die volle und räumlich-präsente Akustik der Hofoper von Versailes tut ein übriges, all diese Qualitäten optimal zur Geltung zu bringen.



Georg Henkel

Besetzung

Benoit Arnould: Tancrède
Isabelle Druet: Clorinde
Chantal Santon: Hermine
Alain Buet: Argant
Eric-Martin Bonnet: Ismenor
u. a.

Les Chantres Du Centre De Musique Baroque de Versailles

Orchestre Les Temps Presents

Olivier Schneebeli: Leitung
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