Reviews
Golden Road
Info
Musikrichtung:
Country / New Country
VÖ: 30.08.2004 (Capitol Nashville) Gesamtspielzeit: 50:48 Internet: http://www.keithurban.net |
Weiß der Teufel, warum es fast zwei Jahre gedauert hat, bis dies Album offiziell auf den deutschen Markt kam. War es so gut, dass die Amerikaner diesen Schatz nicht mit den "blöden Europäern" teilen wollten, oder ist das Album so schlecht ausgefallen, dass sich die Plattenfirma nicht unnötig blamieren wollte? Da diese Scheibe sich seit ihren Veröffentlichung inzwischen mehr als zwei Jahre (!) ununterbrochen in den Country-Top-20 aufhält, dürfte die zweite Alternative nicht zutreffen. Aber was ist dran an diesem Silberling, der dem Sänger nicht nur den Eintritt in die Country-Charts, sondern auch Erfolge im Bereich der Pop-Charts einbrachte und immer noch einbringt?
Im Einzelnen:
Zum einen ist Keith Urban optisch ein Frauentyp (und gefällt meiner Frau ebenso wie meiner 16-jährigen Tochter), zum anderen ist seine Musik überaus interessant, da sie sich nicht zwingend in eine Schublade packen lässt. Bereits der Opener "Somebody like you" zeigt durch seine Instrumentierung mit Mandoline und später einsetzender E-Gitarre den Spagat zwischen Tradition und Moderne und fasziniert mit forschem Gitarrenspiel. Nicht umsonst war dieser Song als Singleauskopplung mehr als erfolgreich. Hinzu kommt, dass Keith Urban über eine Pop-Stimme verfügt, die ihn nicht sofort als Countrysänger enttarnt. Mit diesem Kapital öffnen sich die Wege zu den Genre übergreifenden Charts bedeutend schneller. Auch "Who wouldn´t wanna be me" war als Single auf den Markt gebracht worden und öffnet mit Mandoline und knurrender Gitarre und deutet bereits hier einen kraftvollen Song an, zu dem er sich nach einer Laufzeit von einer Minute entwickelt. Ein Song zum Mitswingen und Tanzen, denn der punchige Rhythmus zerrt im Refrain an den Füßen der Zuhörer. Ein absoluter Hitsong, zu dem er sich durch seine langfristige Anwesenheit in den Top-20 entwickelte.
Die Tatsache, dass neben Keith Urban nur noch Dann Huff sich als Produzent beteiligen durfte und der Großteil der Songs aus der Feder des Sängers stammt, lässt das Album in einem sehr authentischen Licht erscheinen. Die Vielfalt der Fähigkeit des Keith Urban zeigt sich jedoch nicht nur in den Uptempo-Songs mit Tanzflächen-Füll-Garantie, sonder auch bzw. ganz besonders in den Balladen, die durch die sparsame Instrumentierung wie z.B. bei "You´ll think of me", wo eine leidende Stimme vor einem dezenten Background aus Drumset und Gitarre die Trennung von einer Liebe beklagt. Sehr gefühlvoll umgesetzt, diese ebenfalls als Single ausgekoppelte Ballade. Ein "deja vu" beschert dann "Jeans on", das Mitte der 70er in der Version von David Dundas die Hitparaden stürmte. Obwohl man sich hierbei stark am Original orientierte, erscheint die Neufassung erheblich lebendiger als der Oldie. Dies mag vor allem daran liegen, dass die Instrumentierung - nicht nur bei diesem Song - sehr aktiv, lebendig und offen wirkt und fast schon Live-Charakter hat und oftmals vor Spielfreude sprüht. In einer Zeit der Computersteuerung in Musikstudios ein absoluter Pluspunkt. "You look good in my shirt" ist ein poppiger Song mit nettem Text, der sich auch im Repertoire von Clay Walker gut machen würde. Auch hier sorgen ein straighter Rhythmus und eine gezielt und rockig eingesetzte Gitarre für das Grundgerüst, bevor mit "You´re not alone tonight" eine weitere Ballade den Weg in die Ohren und Herzen der Hörer findet. Die samtweiche Stimme des schlaksigen Blondschopfes verfügt über das amtliche Weichspülerprogramm, das man für Balladen benötigt, mit denen man auch Country ablehnende Zeitgenossen überzeugen kann.
Eine Hommage an den Erzeuger bietet "Song for Dad", über das sich jeder Vater freuen würde. Ein dem Singer/Songwriter-Bereich entlehnter Sprechgesang vermischt sich mit der temperamentvollen Stimme beim Refrain. Entgegen den Erwartungen ist dieser Song nicht gerade zurückhaltend und geht flott zu Werke. Textlich schön, denn hier werden die Ähnlichkeiten der Personen hervorgehoben und die Liebe und Sorge in den Vordergrund gestellt. "Raining on Sunday" ist wiederum ein ruhiger Song, der es ebenfalls in die Top-Positionen der Charts geschafft hatte. Den Abschluss des Albums bildet "You´re not my god", in dem er klarstellt, dass z.B. Geld nicht alles für ihn ist, sondern dass er andere Prioritäten setzt. Schön, wenn dem so ist. Schließlich kann er nach Dauerbesuchen in den Charts - ob nun mit Alben oder Singles - getrost über eventuelle finanziellen Probleme hinwegsehen. Verwundert ist man, wenn sich nach dem letzten Song das Zählwerk des CD-Players immer weiter dreht, bis nach mehr als 5 Minuten stoischen Schweigens Keith Urban den "One chord song" präsentiert, bei dem er sich alleine auf der Gitarre begleitet, was allerdings keine großen Schwierigkeiten auslösen dürfte, da hier über 2 Minuten nur ein einziger Akkord gespielt werden muss. Trotzdem eine recht interessante Zugabe.
Fazit:
Es kommt nicht von ungefähr, dass Keith Urban inzwischen mehr als zwei Jahre auf der Golden Road durch die Country-Charts marschiert, denn zum einen sprühen seine Uptempo-Songs vor Spiel- und Lebensfreude und zum anderen schmelzen seine Balladen Eisberg - womit man ihn aber nicht für Klimaveränderungen in die Verantwortung ziehen sollte. Hinzu kommt die frische und offene Art der Instrumentierung, der nichts von der nüchternen Atmosphäre eines Tonstudios anhaftet, sondern vielmehr Livefeeling und Spielfreude im Stil der "Tractors" vermittelt, was den Hörgenuss deutlich verstärkt.
Bei den verwendeten Stilrichtungen trifft man auf Singer/Songwriter (neuerdings: Americana), Country, Pop und Rock, jeweils in verschiedenen Dosierungen, aber meistens herrlich bunt gemischt, denn bei Keith Urban ist alles erlaubt, was Spaß macht, und dies Album macht Spaß.
Lothar Heising
Trackliste
1 | Somebody like you | 5:23 |
2 | Who wouldn´t wanna be me | 4:15 |
3 | Whenever I run | 3:38 |
4 | What about me | 3:51 |
5 | You´ll think of me | 4:53 |
6 | Jeans on | 3:33 |
7 | You look good in my shirt | 3:47 |
8 | You´re not alone tonight | 3:30 |
9 | You won | 4:59 |
10 | Song for Dad | 3:56 |
11 | Raining on Sunday | 4:45 |
12 | You´re not my god | 4:18 |
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |