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Nirvana

With The Lights Out (Box-Set)

Info Musikrichtung: Grunge / Alternative VÖ: 22.11.2004 (Geffen / Universal-Music) Gesamtspielzeit: < 5:16 Internet: http://www.nirvana.de

„Alles in allem klingen wir wie The Knack und die Bay City Rollers, die von Black Flag und Black Sabbath belästigt werden“ - Kurt Cobain

Alleine die Fakten klingen schon beeindruckend. 81 Aufnahmen, davon 68 bisher unbekannt, umfasst die aktuelle Veröffentlichung von Nirvana. Von der Band also, die oft als die größte und wichtigste ihrer Generation bezeichnet, jedoch mindestens genauso häufig auf ihr erfolgreichstes Album Nevermind reduziert wird. Zusammengefasst in einem Boxset mit 3 CDs und einer DVD. Man darf also gespannt sein.

Blenden wir kurz zurück ins Jahr 1996, die verbliebenen Nirvana - Mitglieder Krist Novoselic und Dave Grohl hören sich durch dutzende von Tapes für ein geplantes Live-Album. Später wird Krist Novoselic sagen, dass er erst zu diesem Zeitpunkt bemerkt hat, wie viele ihrer besten Songs nie veröffentlicht wurden. Inwieweit er damit richtig lag, lässt sich jetzt auf With The Lights Out nachhören, denn in der Tat gibt es neben Rehearsals, seltenen B-Seiten und Demoversionen bereits veröffentlichter Songs eine ganze Reihe bisher unbekannte Songs zu entdecken.

Lediglich die Highlights von With The Lights Out aufzuzählen, würde jeden vernünftigen Rahmen für eine Rezension sprengen, da das Boxset nahezu ohne Längen mit wirklich exzellenten Songs daher kommt. Sehr gut werden anhand der chronologisch angeordneten Songs sowohl die Entwicklung der Band wie auch ihre vielfältige, musikalische Bandbreite dokumentiert. Dennoch sollen hier einige Songs besondere Erwähnung finden, um dem potentiellen Hörer einen Eindruck von dem zu vermitteln, was er von With The Lights Out erwarten darf.

Da wäre zunächst einmal “Anorexorcist“, ein früher Song, welcher durch seine heftigen Gitarrenriffs und den psychotisch geschrienen Gesang auffällt. Auch “Mrs. Butterworth“, der durch einen mitreißenden, sich direkt im Kopf festsetzenden Refrain ebenso wie durch einen Sprechgesangs-Part zu gefallen weiß, dokumentiert sehr schön die Anfangsphase der Band.
Weiter geht’s mit “If You Must“ und “Pen Cap Chew“, zwei sehr überzeugenden Bleach- Outtakes, wobei “If You Must" stark von den Melvins inspiriert zu sein scheint. “Beans“ beweißt dann, dass Nirvana sehr wohl Spaß verstanden. Der Song ist ein Witz, im positiven Sinne. Auch “Clean Up Before She Comes“ macht eine Menge Spaß, der Titel ist hier Programm. “Blandest“ und die Demo-Version von “Dive“ dokumentieren ebenso wie “Token Eastern Song", in welche Richtung sich Nirvana musikalisch zukünftig noch bewegen sollten. “Opinion“, ein Akustik-Song, kann dann auch gleich durch seine starken Lyrics überzeugen. Direkt zu begeistern weiß auch “Verse Chorus Verse“, ein Nevermind-Outtake, welches alles das perfekt inszeniert, was Nirvana einst legendär gemacht hat. Hier treffen verführerische Pop-Melodien auf raue Gitarrenklänge. Gleiches gilt für “Old Age“, einem weiteren Song der Nevermind-Sessions, der gleich zweifach von Hole gecovert wurde. Nirvanas Überhit, “Smells Like Teen Spirit“, darf natürlich auch hier nicht fehlen, neben einem Mix von Producer-Legende Butch Vig, der nah an der endgültigen Version des Songs ist, gibt es auch eine erfrischend unverbraucht klingende Demoversion des Songs zu hören. Sehr beunruhigend wirkt hingegen das Demo zu “Rape Me“. Die ohnehin düsteren, anklagenden Lyrics werden verstärkt durch die unablässig im Hintergrund weinende, zum damaligen Zeitpunkt erst wenige Monate alte Tochter von Kurt Cobain und Courtney Love. “Sappy“, ein bisher nur als Hidden Track auf dem schwer erhältlichen Sampler ‚No Alternative’ veröffentlichter, wunderschöner Popsong, wäre als Single vermutlich ein Nummer 1 Kandidat gewesen. Zum Abschluss enthält der Audio-Teil des Boxsets noch zwei sehr eindringliche Solo-Akustikaufnahmen vom März 1994, “Do Re Mi“ und das 2001 erstmals veröffentlichte “You Know You’re Right“.
Auch die übrigen Audioaufnahmen wissen, wie bereits eingangs erwähnt, zu überzeugen. Neben weiteren, unveröffentlichten Songs, einer guten Auswahl an B-Seiten und Demos finden sich auch eine Reihe von Cover-Versionen, die die teilweise recht gegensätzlichen Einflüsse der Band dokumentieren. Stellvertretend seien hier “Heartbreaker“ von Led Zeppelin sowie “They Hung Him On A Cross, Grey Goose“ und “Ain’t It A Shame“, allesamt von Leadbelly genannt.

Die DVD dokumentiert wichtige Stationen in der Karriere von Nirvana, beginnend mit einer frühen Bandprobe im Haus von Krist Novoselics Mutter. Beim Anblick der Videoaufnahmen kann man sich problemlos vorstellen, welche Szenen sich während der 9 Stücke langen Probe im Friseurgeschäft ein Stockwerk unter dem Proberaum abgespielt haben dürften. Dave Grohls erster Einsatz als Schlagzeuger von Nirvana sowie die Uraufführung von “Smells Like Teen Spirit" finden sich hier ebenso wie eine Aufnahme der Band während der Sessions in Rio de Janeiro, bei dem man den Song “Seasons In the Sun" einspielte. Das Menü der DVD verdient noch eine besondere Erwähnung, neben einem sehr guten Audio-Demo von “Lounge Act" enthält es einige weitere, sehr sehenswerte Überraschungen.
Leider krankt die DVD genauso wie einige Songs der ersten CD an der schlechten Soundqualität. Hier hat man der Bedeutung für die Bandhistorie Vorrang vor der Soundqualität eingeräumt, eine nachvollziehbare und gute Entscheidung.

Zum Abschluss noch einige kurze Worte zur Gestaltung von With The Lights Out. Die Box, die aus einem hitzeempfindlichen Material hergestellt wurde, welches bei Berührung die Farbe wechselt, ist mit einem sehr edel wirkenden Metallcover bestück. Außer den CDs und der DVD enthält sie ein 60-seitiges Booklet u.a. mit ausführlichen Informationen zu den Songs der Box, bisher unveröffentlichtem Fotomaterial und interessanten Linernotes von Sonic Youth’s Thurston Moore.

Nicht nur für Nirvana-Fans ist With The Lights Out unverzichtbar, auch die zahlreichen Alternative-Fans werden mit dieser umfassenden Werkschau sehr viel Freude haben. Dieses Boxset gehört definitiv in jede Sammlung moderner Rockmusik.

Jochen Nelson