Reviews
Plaisir d’Amour. Chancons & romances de la France d’autrefois
Info
Musikrichtung:
Volksmusik - Improvisation
VÖ: 01.10.2004 Alpha / Note 1 CD DDD (AD 2004) / Best. Nr. Alpha 513 Gesamtspielzeit: 54:12 |
SCHATZTRUHE MIT HOHEM SUCHTFAKTOR
Volksmusik ist Kunstmusik ist Volksmusik. Auf diese paradoxe Formel kann man das Programm dieser CD bringen. Im Grunde handelt es sich um den zweiten Teil einer spannenden musikalischen Reise, die das Ensemble Le Poème Harmonique vor drei Jahren mit Aux Marches du Palais (Alpha 500) begonnen hat: eine Expedition zu den Ursprüngen und oft abenteuerlichen Entwicklungen populärer „echter“ und „artifizieller“ französischer Volksmusik.
Wie schon der erste „Reisebericht“, so ist auch die Fortsetzung mit dem vielsagenden Titel Plaisir d’Amour musikalisch und interpretatorisch wieder ein maßstabsetzender Wurf geworden.
Die „Freuden der Liebe“ schlagen zumindest musikalisch überwiegend sanfte Seiten an; textlich geht es für die Protagonisten dagegen nicht ohne Blessuren ab. Gebrochene Herzen sind da die eher harmlose Variante, oft genug fließt Blut. Liebeschwüre, Tierzauber, Rittertum und Heldentod, Ballade, Lamento, Fabel und Burleske, Lied und Tanz: So weit die Themen, Stile und Formen gespannt sind, so reich und farbenprächtig präsentiert sich auch die Musik. Unter anderem sorgen Fidel, Tambour, Sackpfeife, Zink, Gambe, Harfe, Gitarre und ein altertümlicher Tangentenflügel bei diesen „Hits“ für eine besondere Note.
Auch für Nichtfranzosen dürfte das eine oder andere Stück bekannt klingen. Immerhin haben manche der Melodien eine sehr klassische Karriere hinter sich. Mozart hat z. B. das pastorale Ah! Vous dirai-je maman in KV 265 variantenreich verewigt. Chopin konservierte eine Bourée fürs Klavier (hier wird das Stück für zwei Sackpfeifen „rückübersetzt“).
Manches, was so ganz authentisch „volkstümlich“ tönt, ist in Wirklichkeit ein Stück Kunstmusik, die den Weg zurück an die musikalische Basis gefunden hat (von der sich umgekehrt zahlreiche Komponisten, nicht nur in Frankreich, inspirieren ließen): Jan Petit que danse stammt aus der Parodie von Rameaus Oper Castor et Pollux, die Ballade vom Tod des unbesiegbaren Malbrough wurde bei Aufführungen von Beaumarchais „Figaro“ gesungen.
Der Lautenist und Leiter des Ensembles, Vincent Dumestre, hat auch diesmal diverse musikalische und volkskundliche Sammlungen und Archive durchstöbert; eine Reihe von Stücken hat er zudem geschmacksicher arrangiert.
Die Musiker von Le Poème Harmonique nehmen das romantisch verklärende Wort vom „Genie des Volkes“ ernst: Jede Entdeckung wird wie ein kostbares Schmuckstück präsentiert, dessen Facetten in einer fast schon unheimlich perfekten Akustik zum Leuchten gebracht werden. Den Ton der Instrumente und die Mischung der Klangfarben kann man nicht anders als delikat bezeichnen; selbst die Klaviatur der Fidel klappert noch musikalisch. Und dann die herrlichen Stimmen: der schwerelose Sopran von Claire Lefilliâtre, das würzige Timbre von Brice Duisit, die vollkommene Harmonie des Ensembles bei Mort et convoi de l’invicible Malbrough …
Nachdem ich nun schon mehrere Aufnahmen von Poéme Harmonique besprochen habe, gehen mir langsam die Lobesworte aus. Makelloser und schöner geht’s nimmer. Man kann wirklich süchtig danach werden!
Georg Henkel
Trackliste
1 | Quand je menais les chevaux boire | 5:20 |
2 | Jan Petit que danse | 2:25 |
3 | La Louison | 4:57 |
4 | La religieuse rebelle (instrumental) | 2:29 |
5 | La Péronnelle | 3:04 |
6 | Mort et convoi de l’invincible Malbrough | 6:22 |
7 | Les tendres souhaits | 3:19 |
8 | Bourrée (instrumental) | 2:18 |
9 | La blanche biche | 6:10 |
10 | N’èran tres fraires | 3:49 |
11 | Ah ! vous dirai-je maman | 1:55 |
12 | Tambourin (instrumental) | 2:02 |
13 | Qui vòu audir cançon | 4:07 |
14 | La Furstenberg (instrumental) | 3:22 |
15 | Plaisir d’amour | 2:33 |
Besetzung
Brice Duisit, Gesang
Isabelle Druet, Gesang
Odile Edouard, Violine
Anne-Marie Lasla, Soprangambe
Magali Imbert, Psalterium und Tambour
Pierre Hamon, Flöten und Sackpfeife
Christophe Tellart, Fidel und Sackpfeife
Isabelle Saint-Yvers, Bassgambe
Nanja Breedijk, Harfe
Arthur Schoonderwoerd, Tangetenflügel
Vincent Dumestre, Barockgitarre und Theorbe
Außerdem: Serge Goubioud und Arnaud Mazorati, Gesang
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |