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Reviews

Gluck, Chr. W. (Luks)

Orfeo ed Euridice (DVD)


Info

Musikrichtung: Oper

VÖ: 19.5.2014

(Arthaus Musik / Naxos / DVD / 2013 / Best. Nr. 102184)

Gesamtspielzeit: 75:00

Internet:

Bejun Mehta

VOM KELLER BIS ZUM DACH

Bislang hat das Medium DVD die Label selten zu wirklich Neuem inspiriert: Meist bekommt der Zuschauer schlicht eine mehr oder weniger gut abgefilmte Version von Bühnenproduktionen geboten. Nicht so bei Arthaus´ aktueller Produktion. Glucks revolutionäre Oper Orfeo ed Euridice wurde hier für die DVD bzw. Blue-Ray in ganz eigener Form inszeniert. Den Rahmen bildet das weitgehend im Originalzustand erhaltene Theater des Schlosses im böhmischen Krumau. Regisseur Ondrej Havelka begnügt sich aber nicht damit, die charmante Bühne mit historisch gemalten Kulissen und entsprechenden Requisiten zu bespielen. Nein, das Drama spielt sich auch auf dem Schnürboden, im Schlosskeller und auf den Gängen und Treppenhäusern des Gebäudes ab. Dies alles ohne jede Hast und ganz organisch auf die wechselnden Szenen abgestimmt. Entstanden ist damit eine Mischung aus Opernfilm und gefilmter Oper: dramaturgisch reizvoll, ungewöhnlich und von großer Intensität. Gerade der Wechsel zwischen rokokohaften Bühnenbildern und düsterem Kellergewölbe, von stilisiertem Tanz zwischen Pappmaché und menschlicher Tragik auf den Gängen trägt einiges zu einer neuen Sichtweise auf das bekannte Sujet bei. Mehr als schlüssig ist es dann auch, wenn das merkwürdige Happy End in seiner Hohlheit entlarvt wird und Orpheus dem neuen Liebesglück nicht mehr trauen mag, sondern schlicht seiner Wege geht. „Cosi fan tutte“ ist hier nicht mehr weit – nach der Prüfung, nach dem Experiment (dessen Sinn sich in der Belustigung der Götter zu erschöpfen scheint und der Dschungelprüfung dabei nicht unähnlich ist) ist nichts mehr wie vorher und Weiter-So kann nicht die Lösung sein.

Doch nicht nur die innovative Inszenierung überzeugt. In der Titelrolle leistet Countertenor Bejun Mehta Überragendes. Er gestaltet jeden Ton mit Hingabe und extrem feinen Gespür für den Affekt. Wo die verschiedenen Tönungen seiner Stimme sonst bisweilen irritierend wirkend setzt er diese hier sehr bewusst ein. Sein Orfeo ist ein leidenschaftlich Liebender, Suchender, Verzweifelter und Einsamer, dem nur die Welt der Kunst den Raum zu wahrhaftem Ausdruck bietet.
Eva Liebau gibt der Euridice die notwendige Mischung aus Emotionalität und Naivität. Hinreißend ist der Amor von Regula Mühlemann, die zwischen knabenhaftem Timbre und kokettem Ton exzellent zu wechseln versteht (und sich beim Betrachten des Dramas im Treppenhaus auch mal kurz die Nägel mit der Pfeilspitze saubermacht).

Dirigent Vaclav Luks führt das in Kleinstbesetzung und historischen Kostümen spielende Collegium 1704 schwungvoll, lässt aber der Musik in den elegischen Momenten auch Raum zur Entfaltung. Einzig den Chor hätte man sich bei der Unterweltszene schlagkräftiger und dramatischer gewünscht.

Apropos Wünsche: Geboten wird die Wiener Fassung der Oper von 1762, wobei ein paar Ballette gestrichen wurden. Bei der somit entstehenden Spielzeit von nur 75 Minuten wäre für ein Making Of oder eine Doku über das Schlosstheater noch Raum gewesen, denn natürlich macht die Produktion neugierig auf dieses kaum bekannte Juwel in der Provinz.



Sven Kerkhoff

Besetzung

Bejun Mehta: Orfeo
Eva Liebau: Euridice
Regula Mühlemann: Amore

Collegium 1704
Collegium Vocale 1704

Vaclav Luks: Ltg

Ondrej Havelka: Regie
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