Reviews
Croz
Info
Musikrichtung:
Singer/ Songwriter
VÖ: 31.1.2014 (Blue Castle Records/ADA/WARNER ) Gesamtspielzeit: 47:22 Internet: http://www.davidcrosby.com |
„Oh Yes I Can“ hieß einst David Crosbys zweites Solo-Album. Der Titel für sein jetziges Album „Croz“ hätte auch „Oh Yes I Still Can“ lauten können, denn zwanzig Jahre lang hat er solistisch nichts mehr von sich hören lassen. In gewisser Weise überzeugt Crosby mehr als auf seinen letzten Solo-Produkten, doch zeigt das Album auch, dass er schon lange nicht mehr zu Meisterwerken fähig ist wie in der Anfangszeit mit Crosby, Stills, Nash & Young (CSNY). Seine alten Songs wie „Déjà vu” beeindrucken noch heute mit ihrer komplexen Struktur und Tempiwechseln, bei einer Ballade wie “The Lee Shore“ konnte man eine Stecknadel fallen hören, in „Long Time Gone“ zeigte er aufschreiartige Gefühlsausbrüche und der "Song With No Words“ glänzte mit trippigen Vokalimprovisationen. Für diese Qualitäten stand David Crosby einst. Im Vergleich dazu passt „Croz“ in die Mainstream-Singer/Songwriter-Ecke á la James Taylor oder Sting. Nichts Schrilles oder Schweißtreibendes stört da den Wohlklang, die Rhythmik federt entspannt dahin, das Schlagzeug rockt wenig, sein Klang ist gedämpft. Es sind vielmehr vergleichsweise einfach strukturierte Songs, die dennoch sphärig wirken. Nun kann man natürlich fragen, ob es heute überhaupt noch ein Publikum gibt, das komplexe, suitenartige, anspruchsvolle Songs akzeptieren würde. Nun, bei genauerer Betrachtung erweist sich die heutige Singer/Songwriter-Szene sogar als experimentierfreudiger als der Großteil der Rockszene. Und schließlich steht genau ein David Crosby noch am ehesten für die beschriebenen Qualitäten. Andererseits klingt Crosby nun schon seit rund 25 Jahren, nach der Überwindung seines Drogenabsturzes nicht mehr so wie in der Woodstock-Zeit. Wer könnte ernsthaft glauben, es wäre jetzt anders?
Andererseits hat sich Crosby bestimmte Qualitäten immer noch erhalten und genau das macht das Album dennoch hörenswert. Genau in den Balladen, in denen er auf die übliche Begleitung verzichtet wie in „Holding on To Nothing“ entwickelt er eine Gänsehautmusik, wie sie schon Jahrzehnte nicht mehr von ihm aufgenommen wurde. Da sind sie wieder, die besinnlichen Pausen nach den Akkorden, in denen Spannung aufgebaut wird. Auch die Vokalsätze zitieren den berühmten Satzgesang, den er mit David Nash entwickelt hat. Und einprägsame Melodien wie "Set That Baggage Down" dürften im Kontext eines CSNY-Konzertes die Besucher zum Mitsingen anregen. Aber gibt es das legendäre Quartett denn überhaupt noch? Immerhin gibt es Gerüchte für eine Tournee für 2014 aufgrund eines gemeinsamen Auftritts im vergangenen Oktober mit Neil Young. Doch mehr auch nicht.
Crosbys Sohn James Raymond ist hauptsächlich für die Produktion des Albums verantwortlich. Mit ihm hat er auch die meisten der Songs zusammen geschrieben und der Sound ist auch von Raymond stark zurechtgeschneidert worden. Da ist viel Elektronik dabei, auch wenn man es nicht immer merkt. Dass Crosby auf keinem Song mehr akustische Gitarre spielt, ist dagegen bedauerlich. Immerhin spielt er die Elektrische auf "If She Called" und da wünscht man sich glatt, dass er das gleich fünfmal so oft getan hätte. Alles in Eigenregie machen ist ja schön und gut, aber hier hätte gut ein historisches Highlight bei rauskommen können, wenn Crosby möglicherweise ein reines Soloalbum auf der akustischen Gitarre eingespielt hätte.
Crosbys sozialkritischer Blick ist ebenso noch vorhanden. In "If She Called" macht er sich Gedanken über das Innenleben von osteuropäischen Prostituierten in Westeuropa, die von einer Hölle in die andere gewechselt sind, ihre Zerrüttung aber in ihrem Job massiv verbergen müssen. In "Set That Baggage Down" spricht er sich selbst Mut zu. Bloß nicht immer nur die Fehler bejammern, die man verzapft hat. Er, der viele Niederschläge einstecken musste, aber dennoch ein Stehauf-Männchen ist, will nach vorne schauen. Allein schon diese beiden Songs sind den Kauf des Albums wert.
Hans-Jürgen Lenhart
Trackliste
1 | What's Broken |
2 | Time I Have |
3 | Holding On To Nothing |
4 | The Clearing |
5 | Radio |
6 | Slice of Time |
7 | Set That Baggage Down |
8 | If She Called |
9 | Dangerous Night |
10 | Morning Falling |
11 | Find A Heart |
Besetzung
James Raymond (keyboards)
Shane Fontayne (guitar)
Kevin McCormick (bass)
Steve DiStanislao (drums, percussion)
Marcus Eaton (guitar)
Guests:
Steve Tavaglione: Soprano Saxophone
Leland Sklar: Bass Guitar
Mark Knopfler: Electric Guitar
Wynton Marsalis: trumpet
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |