Reviews
Violinkonzert / The Lark Ascending
Info
Musikrichtung:
Violinkonzert
VÖ: 14.09.2004 Deutsche Grammophon / Universal Classics CD DDD (AD 2003) / Best. Nr. 474 504 2 |
OHNE KITSCH UND TADEL
Wenn man wissen möchte, wie diese Aufnahme von Edward Elgars berühmten Violinkonzert nicht geworden ist, dann schaue man sich zuerst das Künstlerfoto auf S. 2-3 im Booklet an: Da hockt die junge Geigerin Hilary Hahn rüschig und plüschig in allerlei Stoffe und schwere Draperien gewickelt auf einem überdimensionierten Ohrensessel. Elgars Violinkonzert steht zwar nun nicht gerade in dem Ruf heilig-strenger Nüchternheit, aber derart neoviktorianisch aufgeplustert und dekoriert - nein, das mag man sich gar nicht erst vorstellen! Aber wie gesagt …
Die vorliegende Interpretation ist ebenfalls nicht so geraten, wie man angesichts der verschwiemelten Worte der Künstlerin auf S. 13 befürchten könnte. Kostprobe: „Der Geist dieses Albums steht für eine vergangene Zeit, in der Musik still von Worten überhöht wurde, in der auf das Papier gekritzelte Gesten als große Äußerungen zum Leben erwachten. … Diese Werke sind Menschheit und Natur, sind menschliche Natur, Jugend und Erneuerung werden mit den Augen der alten Weisen gesehen, Geheimnisse werden nicht enthüllt.“
Nein, diese Aufnahme umschifft die Klippen des Kitsches und der Larmoyanz in geradezu atemberaubend souveräner Weise. Sie ist geigerisch perfekt und von einer Abgeklärtheit beim Einsatz der Mittel, die das (selbst)projizierte Image der Künstlerin glücklich unterläuft.
Schon der erste Einsatz der Violine lässt aufhorchen: ein wunderbar ruhiger und klarer Ton, ganz ohne die aufgereckt emotionsgeladene Geste, die man an dieser Stelle von anderen Interpreten kennt. Das Pathos von Elgars Musik, die alle Stimmungsnuancen von der sanften Melancholie bis zur tiefen Wehmut schwärmerisch auskostet, wird hier einmal ganz nach innen gekehrt und als spätromantische „Seelenlandschaft“ voll feiner Nuancen entfaltet. Dabei hat Hahn in Sir Colin Davis und dem LSO zwei ebenbürtige Partner.
Wer aber nun eine durch das Medium der Interpretin inszenierte gefühlige Selbstoffenbarung Elgars erwartet, der erwiesenermaßen sehr viel von sich selbst in das Konzert hineingelegt hat, der dürfte dagegen wohl enttäuscht werden: Das delikat eingesetzte Vibrato, der feingesponnene Ton, der ruhige Atem, mit dem die Phrasen gestaltet werden, all dies kann man in seiner klassischen Ausgewogenheit fast schon etwas glatt und kühl finden.
Die Musik geht auf fast unheimliche Weise ohne Widerstand ins Ohr, sie lässt sich da aber auch nicht dauerhaft festhalten. Selbst nach mehrmaligem Hören habe ich das Stück „nicht in den Griff“ bekommen. So gesehen hat Hilary Hahn recht: „Geheimnisse werden nicht enthüllt.“
Georg Henkel
Trackliste
04 Ralph Vaugahn Williams (1872-1958), The Lark Ascending 16:21
Besetzung
London Symphony Orchestra
Ltg. Sir Colin Davis
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |