Reviews
Neal Morse – Testimony live (2 DVD)
Info
Musikrichtung:
Progressive
VÖ: 28.06.2004 (InsideOut / SPV) Gesamtspielzeit: 255:00 |
Fan-tas-tisch !!!!
Lange kein geileres Live-Konzert mehr gesehen. Die Message vom Testimony-Album kommt in diesem Format klarer, direkter und sehr glaubwürdig rüber. Gezeigt wird das komplette Konzert vom 17. November 2003 im 013 in Tilburg (NL). Der Spannungsbogen, der zwischen Band und Publikum entsteht, kann so sehr authentisch miterlebt werden.
Das eigentliche Konzert befindet sich auf der DVD 1. Es umfasst das komplette Testimony-Doppelalbum, das mit zwei Pausen nach dem zweiten und vierten Teil aufgeführt wurde. Auf Zugaben wurden zwei Stücke von Transatlantic und eins von Spock’s Beard gespielt. Eine Zugabe von insgesamt etwa 55(!) Minuten, die sich neben einer Fotogalerie und einer Tour-Doku auf der zweiten DVD befindet.
Bleiben wir aber erstmal bei dem Grund der Begeisterung - dem Konzert-Mitschnitt. Am Anfang beginnt das ganze etwas klinisch. Morses Stimme setzt sich kaum durch. Aber so ist das bei einem Konzert eben häufig. Und spätestens bei “Sleeping Jesus“ platzt der Knoten. Eric Benton brilliert Kansas-srtig an der Violine. Überhaupt erscheinen mir die Streicher viel bestimmender als auf der CD. Ob das daran liegt, dass man sie hier sieht? Denn optisch kommen beide super rüber. Sowohl der löwenmähnige Benton, als auch John Korvosa dessen Electric Cello wie ein bespannter Besenstil wirkt.
Damit ist der Grund gelegt für Höhepunkte wie das extrem ruhige “Wasted Life“, in dem Neal Morse sehr dicht und emotional die Tiefpunkte seins Lebens Revue passieren lässt. Atemberaubend ist dann die “Long Story“, an deren Ende man anbetend vor dem Fernseher kniet. Es sein denn, man hat nichts von dem verstanden, was auf dem Bildschirm vor sich gegangen ist. Bei dem folgenden “It’s all I can do“ ist ein extrem dichte Atmosphäre entstanden. Ich glaube, man hätte eine auf den Boden fallende Stecknadel hören können. (Eine quietschende Tür hört man!) Das Flehende in dem Gebet von Neal Morse wird mit den Händen greifbar. Dann wird der Bildschirm dunkel. Die Band geht in die erste Pause. Teil 1 und 2, die erste CD des Albums Testimony, liegen hinter uns.
Nach der Pause bietet sich dem Auge ein neues Bild. Die komplette Band ist in Weiß gekleidet, die heilige Farbe der Unschuld, des Paradieses, der Ewigkeit. Der Sinn ist klar: Morse will den entscheidenden Wandel in seinem Leben veranschaulichen. Nicht umsonst heißt das erste Stück des neuen Sets “Transformation“. Spätestens hier taucht die Frage auf: Wie gehen eigentlich die anderen Band-Mitglieder mit dem sehr persönlichen Bekenntnis ihres Chefs um. Spielen sie einfach (gegen gutes Geld) ihre Instrumente für ihn, oder tragen sie seine Message mit. Soviel verrate ich schon hier: Die Tour-Doku gewährt Aufschluss.
In der Folge jagen sich die Höhepunkte. “Sing it high“, der leicht countryeske Song, der beschreibt, wie Morse im Gottesdienst endlich mit voller innerer Beteiligung in den Gesang der Gemeinde einstimmen kann, wird zu einer begeisternden Tour de force mit Square Dance-Elementen, bei denen sich die gesamte Band gegenseitig über die Bühne jagt - darin eingebaut mitreißende Bass-Soloparts. Und so geht es immer weiter: Das stark bekenntnishafte “I’m willing“, an dessen Ende Morse ergriffen auf den Knien liegt, wird zum Mitsing-Highlight genutzt. Nach dem Gebet “Oh, to feel him“ erzählt er von der Wunder(!!)-baren Heilung seiner Tochter - eine Epsiode, die für ihn zu intim war, um sie in die CD mit einzubauen.
Wenn die Band zum dritten Mal von der Bühne geht, merkt man die Geschlossenheit von Testimony. Es fällt nach Einlegen der zweiten DVD erst einmal schwer in den auch etwas fahrig wirkenden Transatlantic Track einzusteigen. Auch das folgende Spock’s Beard-Stück überzeugt nicht voll. Man gewinnt den Eindruck, dass auch die Band sich erst einmal wieder in der „normalen“ Konzertwelt einfinden muss. Das gelingt - spätestens mit dem abschließenden “Stranger in your Soul“. Allen drei Tracks gemein ist eins: Hört man die Texte über das Licht und das Fremde in unserer Seele nach dem Testimony-Programm, wird deutlich, dass man sich die Texte der alten Morse-Bands noch einmal aus christlicher Perspektive ansehen muss.
Natürlich ist die Ausstattung der DVD bei einem InsideOut-Produkt fast vorbildlich. Die normale CD-Box steckt noch mal in einem Pap-Schuber. Außerdem gibt es ein fettes Booklet mit einem Geleitwort von Neal Morse, vielen Fotos und jeder(!) Musiker wird auf einer eigenen Seite mit Fotos und Funktion in der Band vorgestellt. Auf der zweiten DVD gibt es zu der Zugabe noch eine Photo-Gallery und eine Tour-Dokumentation. Letztere kostet die DVD fast den Überflieger-Status. Ärgerlich ist vor allem, dass man hier völlig auf Untertitel verzichtet hat. Das wäre bei einem Musiker, der in Deutschland einen starken Anhang hat, bei einem deutschen Label unter Vertrag steht, eigentlich zu erwarten gewesen. Weniger bedeutend ist die Anfrage, ob man bei einer Dokumentation, die als Bonus auf einer Live-DVD erscheint, so viel Konzertparts zeigen muss. Das hat man im Hauptteil besser. So erzeugen die einfach mit der privaten Handkamera aufgenommen Takes Längen in der Dokumentation.
Beeindruckend - oder befremdend - je nach persönlicher Einstellung werden die Backstage-Szenen sein. Hier gibt es nicht nur das üblich Boxen-Schieben, Hamburger-Mampfen, Kollegen-Nerven, etc, womit sich eine Band halt die Zeit bis zum Konzert vertreibt. Man sieht Morse, Portnoy und ihre Kollegen auch beim gemeinsamen Gebet und bei Gesprächen um die aufgeschlagene Bibel herum. Auch wenn die oben aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis der Band zu dem Bekenntnischarakter von Testimony damit grundsätzlich beantwortet ist, hätte ich hier gerne mehr verstanden.
Trackliste
Testimony
DVD 2
We all need some Light (Transatlantic) (ca. 6:30)
The Light (Spock’s Beard) (ca. 20:00)
Stranger in your Soul (Transatlantic) (ca. 28:00)
Bonus:
Tour Documentary
Photo Gallery
Besetzung
Mike Portnoy (Dr, Back Voc)
Eric Benton (Git, Violine, Flöte, Pedal Steel Git, Mandoline, Voc)
John Krovosa (El. Cello)
Bert Baldwin (Keys, Voc)
Rick Altizer (Git, Keys, Perc, Voc)
Randy George (B, Keys, Back Voc)
Mark Leniger (Perc, Sax, Back Voc)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |