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Reviews

Porpora, N. (Jaroussky)

Arien für Farinelli


Info

Musikrichtung: Barock

VÖ: 13.09.2013

(Erato / Warner / 2012 / Best. Nr. 5099993413022)

Gesamtspielzeit: 70:21

Internet:

Philippe Jaroussky

DER OHNMACHT NAHE

Als Gerad Corbiáu 1995 seinen Farinelli-Film drehte, musste er noch auf einen Trick zurückgreifen, um die sagenumwobene Stimme jenes Kastraten in unserer Zeit wieder lebendig werden zu lassen: Er legte den Gesang eines Countertenors und einer Sopranistin per Sample übereinander. Ein Kunstprodukt, das nur mäßig zu überzeugen vermochte. Nun aber gibt es das Ganze in der Version frei von künstlichen Zusatzstoffen: Nach langen Jahren des Zögerns hat Philippe Jaroussky ein Album mit Farinelli-Arien herausgebracht. Jetzt endlich darf man glauben, wirklich etwas von der Hysterie nachvollziehen zu können, die Farinelli einst in ganz Europa auslöste. Seine Gagenforderungen stürzten Theater und Adelige in den Bankrott, seine Töne und Verzierungen brachten Frauen und Männer gleichermaßen an den Rand der Ohnmacht.

Jaroussky hat sich in dem Bemühen, diesem Faszinosum nachzuspüren, für ein künstlerisch besonders reizvolles Konzept entschieden. Das Album beschränkt sich ausschließlich auf Arien, die Nicolo Porpora für Farinelli geschrieben hat, der sein Schüler, ja, in vielerlei Hinsicht sein „Geschöpf“ war. Nicht zuletzt auf Porporas Betreiben dürfte die Kastration des sängerisch begabten Knaben erfolgt sein und nicht zuletzt Porporas unerbittlichem Unterricht dürfte Farinelli seine stupenden stimmlichen Fähigkeiten zu verdanken gehabt haben. Porpora aber wusste dann auch wie kein zweiter, die Vorzüge dieser besonderen Stimme in Szene zu setzen. Dabei sind es nicht die glanzvoll-kämpferischen Arien mit virtuosem Zierrat, die hervorstechen, sondern gerade jene Stücke, die in besondere Weise die volltönende Mittellage und die Kunst des Messa di voce fordern.

Hier nun aber erweist sich Jaroussky als idealer Sachwalter. Kein anderer Countertenor vermag derzeit, die Töne so nuanciert zu färben, eine größere Süße des Tons mit feinsinnigem Ausdruck zu verbinden. Sein Ansatz ist unverändert leicht, die Stimme beweglich. So traut man sich kaum zu atmen, wenn er blühend die Arie „Nell´attendere“ oder „Sento del mio martir“ vorträgt. Und vollends in authentisch historischer Verzückung mag man sich beim „Alto giove“ ergehen, das Jaroussky in der ursprünglichen, technisch noch anspruchsvolleren Version zu Gehör bringt und dessen A´-Teil vor ausdrucksstarken Effekten nur so strotzt. Wie einst bei Farinelli, bei dem das englische Publikum zunächst mutmaßte, er bewerkstellige das Halten der Töne und deren Volumen mit Hilfe versteckter mechanischer Apparaturen, so hat auch Jarousskys Kunst etwas Unglaubliches, einen Zug ins berückend Irreale, ja Überirdische. Dass im Auftaktstück „Mira in cielo“ manche Spitzentöne vielleicht etwas zu viel Schärfe abbekommen, erscheint angesichts dessen als Bagatelle.

Das Venice Baroque Orchestras musiziert kontraststark und energiegeladen. Als besonderes Schmankerl gibt es zudem einen Gastauftritte von Cecilia Bartoli. Im Duett mit Jaroussky stellt sie zwei der seltenen Ensemblestücke Porporas vor, die mit viel Esprit zu überraschen vermögen.
Der sehr umfangreiche, kundige Booklettext von Frédéric Delaméa über die Beziehung Porpora-Farinelli rundet den herausragenden Gesamteindruck der Produktion ab.

Übrigens: Wer Jaroussky mit diesem Repertoire live erleben möchte, hat dazu am 10.10. in Dortmund (Konzerthaus), am 12.10. in Frankfurt (Alte Oper), am 14.10. in Stuttgart (Liederhalle) und am 16.10. im München (Prinzregententheater) Gelegenheit.



Sven Kerkhoff

Trackliste

1. Arianna e Teseo: Mira in cielo
2. Semiramide riconosciuta: Si pietoso il tuo labbro
3. Semiramide regina dell'assiria: Come nave in ria
4. Polifemo: Placidetti zeffiretti
5. Polifemo: Alto giove
6. Mitridate: La gioia ch'io sento
7. Ifigenia in aulide: Le limpid'onde
8. Polifemo: Nell'attendere il mio bene
9. Ifigenia in aulide: Nel gia bramoso petto
10. Orfeo: Dall'amor piu sventurato
11. Orfeo: Sente del mio martir

Besetzung

Philippe Jaroussky: Countertenor

Cecilia Bartoli: Mezzosopran (Track 2 und 4)
Venice Baroque Orchestra
Andrea Marcon: Ltg.
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