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... pour passer la mélancolie
Info
Musikrichtung:
Barock Cembalo
VÖ: 15.02.2013 (Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD / 2012 / Best. Nr. HMC 902143) Gesamtspielzeit: 75:00 |
KUNSTVOLL ERGRIFFEN
Es lässt sich bei dem Programm, das Andreas Staier hier spielt, kaum ein angemesseneres Instrument denken als das anonyme französische Cembalo aus dem 17. Jahrhundert. Dessen Geschichte fügt sich bestens ins Konzept dieser musikalischen Reise durch die barocken Gefilde melancholischen Weltschmerzes, überschäumender Lebenslust und Kompositionskunst: Als es der Cembalobauer Laurent Soumagnac 1993 ersteigerte, bestand das Instrument im Grunde nur noch aus dem leeren Corpus und einem ruinösen Deckel. Es brauchte vier Jahre der Restaurierung, um daraus wieder ein preisgekröntes Meisterstück zu machen. Es wurde buchstäblich der Zeit, deren Zahn unerbittlich alles benagt, entrissen. Und um die Macht der Vanitas und den Versuch, sie durch die Kunst zu bewältigen, ja auf gewisse Weise zu überwinden, geht es auch auf dieser CD mit dem Titel ... pour passer la mélancolie.
Die Stücke stammen von früh- und hochbarocken Meistern, von denen vor allem Johann Jacob Froberger und Louis Couperin einen Hang zur melancholisch vergrübelter Musik haben. Doch auch die Kabinettstücke von Jean-Henri D’Anglebert, Johann Casper Ferdinand Fischer, Louis-Nicolas Clérambault oder Georg Muffat, der mit einer monumentalen Passacaglia vertreten ist, zeichnen sich allesamt durch ein meisterliches Gespür für elegische Stimmungen aus. Doch dies ist nur die eine Seite. Auf der anderen Seite vernimmt man eine mitunter aufgekratzte Lebensfreude.
Andreas Staier spielt diese beiden Pole gekonnt heraus: Frobergers eröffnende Plaincte lässt er sich wie eine weite, sich in chromatische Fernen verlierende Landschaft entfalten: „lentement es à discretion“, wie der Komponist fordert. Dieser barocke ‚Blues‘ wirkt wie aus dem Moment heraus improvisiert. Die Musik bewahrt etwas ausgesprochen Instabiles, fast schon Skizzenhaftes.
In diversen solcher Prélude oder auch Tombeaus nutzt Staier die Freiheiten der Notation, um sich geradezu meditativ in die melancholische Betrachtung des Todes und der Vergänglichkeit zu versenken und demonstriert ganz nebenbei die hohe Kompositionskunst, die in diesen Stücken steckt. In den zahlreichen Tänzen hingegen feiert er mit den Komponisten das Leben, den Rausch, den Überschwang – die andere Seite des vielbeschworenen barocken Lebensgefühl.
Auf dem herrlichen Instrument glitzern und funkeln die üppigen Verzierungen wie Gold und kostbare Juwelen. Die Virtuosität feiert sich selbst, das zerbrechliche Leben überlebt in der Kunst.
Doch kaum wird das Tempo wieder zurückgenommen, der rhythmische Schwung gelassen und die Zahl der Töne wieder ausgedünnt, stellt sich die anfängliche Melancholie wieder ein. Dann reicht ein einfacher Wechsel vom hohen ins tiefe Register, dass sich die Schatten über den Glanz legen und der Klang sich wieder in eine tiefe Stille zurückzieht.
Auf seinem außergewöhnlichen Instrument und mit einer entsprechend wohlüberlegten Interpretation lässt Staier den Hörer die barocken Extreme auskosten. Der folgt ihm dabei gebannt und ergriffen - und ist am Ende, aller Vergänglichkeits-Grübelei zum Trotz, ausgesprochen hochgestimmt!
Georg Henkel
Trackliste
d'Anglebert: Fuge grave d-moll
Fischer: Musicalischer Parnassus aus Suite d-moll "Uranie"
L. Couperin: Suite F-Dur
Clerambault: Suite c-moll
Muffat: Passacaglia g-moll
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |