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„…vom küsslichen Mund…“ – Lieder der Mozart-Zeit
Info
Musikrichtung:
Wiener Klassik
VÖ: 18.2.2013 (Crystal Classics / DeltaMusic / CD / 2009 / Best. Nr. N 67072) Gesamtspielzeit: 60:58 Internet: Markus Schäfer Chrsitine Schornsheim |
AUF DEM WEG ZUR ROMANTIK
Das Cover lässt eher Chansons der 20er- und 30er-Jahre vermuten, aber weit gefehlt: Was Crystal Classics hier in Koproduktion mit Deutschlandradio Kultur präsentiert, ist kaum bekanntes Repertoire aus der Zeit um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Das Schlagwort von der „Mozart-Zeit“ im Untertitel ist dabei verkaufsfördernd großzügig gewählt, aber auch nicht ganz falsch. Dass Mozart sich als Lied-Komponist betätigt hat, kaum dass diese Gattung wieder in Mode gekommen war, ist ja mittlerweile hinlänglich bekannt. Er war dabei aber weder seiner Zeit voraus, noch in der Grundkonzeption der Lieder eine singuläre Erscheinung. Vielmehr schwappte, ausgehend von der neuen Begeisterung für das Einfache, Natürliche und Volkstümliche, eine regelrechte Welle derartiger Kompositionen durch das Land. Keineswegs versuchten sich dabei nur hochrangige Komponisten, sondern – wie hier zu hören – auch Straßenbaubeamte, Staatskanzleimitarbeiter und Domkapitulare an der Erschaffung entsprechender Werke. Das (Kunst-)Lied näherte auf diese Weise die Musik des Adels und der Hochkultur schließlich dem bürgerlichen Milieu an, was für die weitere Musikgeschichte von nicht geringer Bedeutung war.
Nicht immer übrigens nehmen sich die Lieder der sog. Dilettanten weniger kunstfertig aus als jene der gelernten Musiker. Nikolaus von Krufft etwa, hier mit gleich sechs Liedkompositionen vertreten, hing zwar dem Ideal der Einfachheit und dem strophischen Lied an, schuf dabei aber durchaus charmante, heitere Stücke, die mozart´schen Geist atmen. Dabei steht er den professionellen Kollegen Moscheles oder Salieri in nichts nach. Komplexer werden die Strukturen dann bei Anton Eberl, doch wirklich wegbereitend für die Lieder der Romantik sind eher die Vertonungen des heute praktisch vergessenen, einst aber selbst von Beethoven bewunderten Johann Wenzel Tomaschek. Er spürt den Affektschwingungen in den von ihm vertonten Gedichten sehr bewusst nach, verändert dementsprechend Farbe und Ausdruck der Gesangslinie, bricht die strenge Liedfrom auf. Ähnliches gilt übrigens für die hochinteressante Liedvertonung des jüngsten Mozart-Sprosses Franz Xaver Mozart, dessen „An Emma“ mit den Liedern des Vaters bereits nur noch wenig gemein hat. Wohin diese Entwicklung schließlich führen sollte, macht Daniel Kielmanns „Gruppe aus dem Tartarus“ hörbar – ein Drama en miniature, das nichts mehr vom leicht fasslichen (Volks-)Lied hat, sondern sich in expressiver Deklamation auflöst.
Der CD kommt das nicht geringe Verdienst zu, diese Entwicklungslinien programmtisch klug, dabei aber nicht weniger unterhaltsam aufzuzeigen. Es ist ein höchst abwechslungsreiches, kurzweiliges Lieder-Album geworden. Das liegt nicht zuletzt an den hervorragenden Interpreten. Der Tenor Markus Schäfer, der über einen reichen Erfahrungsschatz als Liedinterpret verfügt, wechselt sensibel zwischen ländlich-naivem und innig empfundenen Ausdruck, führt uns aber bei den letzten Stücken auch hinein in eine wesentlich komplexere Empfindungswelt. Seine bis in die Höhen hinein warme, gerundete Tenorstimme erweist sich dabei als äußerst wandlungs- und anpassungsfähig. Christine Schornsheim begleitet am Hammerflügel mal mit musikantischem Frohsinn, mal mit ausdrucksstarkem Spiel. Dass dabei der Nachbau eines historischen Instruments aus der Werkstatt Anton Walters zum Einsatz kommt, tut diesem Repertoire außerordentlich gut, denn die Vielfalt der Klangfarben und der bisweilen rustikalere Ton eines solchen Instruments fügen sich wesentlich besser zu den Liedern als ein moderner Flügel es je könnte.
Eine wirklich gelungene Produktion also, der trotz und gerade wegen der Randständigkeit des Repertoires hoffentlich die verdiente Aufmerksamkeit zuteil werden wird.
Sven Kerkhoff
Trackliste
1 Der Papagoy [1‘45]
2 Lied aus der Ferne [4‘14]
3 Erster Verlust [2‘25]
4 Rastlose Liebe [1‘59]
5 Der Liebende [4‘27]
6 Mailied [2‘24]
ANTONIO SALIERI (1750 - 1825)
7 Der Zufriedene [1‘27]
JOHANN NEPOMUK HUMMEL (1778 - 1837)
8 Meine Geliebte [2‘06]
IGNAZ MOSCHELES (1794 - 1870)
9 Frauenwürde [2‘45]
ANTON EBERL (1765 - 1807)
10 Nähe des Geliebten [3‘02]
11 Glückliche Fahrt [1‘38]
12 Romanze (Der Fischer) [3‘22]
JOHANN WENZEL TOMASCHEK (1774 - 1850)
13 Lied [3‘24]
14 Molly‘s Werth [2‘29]
15 Die Ergebung [2‘26]
16 Cidli [3‘37]
JOHANN FRIEDRICH HUGO VON DALBERG (1760 - 1812)
17 Würde der Frauen [3‘56]
FRANZ XAVER MOZART (1791 - 1844)
18 An Emma [3‘11]
AUGUST LEOPOLD CRELLE (1780 - 1856)
19 Sehnsucht [7’33]
DANIEL KIELMANN (?)
20 Gruppe aus dem Tartarus [2´35]
Besetzung
Christine Schornsheim: Hammerflügel
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |