Reviews
Mr. Blue Sky; The very best of the electric Light Orchestra
Info
Musikrichtung:
Progressive Pop
VÖ: 05.10.2012 (Frontiers / Soulfood) Gesamtspielzeit: 48:52 |
Einleitung
Ende der 70er / Anfang der 80er war das Electric Light Orchester eine der erfolgreichsten Chart-Bands überhaupt. Von den neun Stücken des wohl erfolgreichsten Albums Discovery (1979) sind mindesten fünf (wenn nicht mehr) als Single ausgekoppelt worden; vom Vorläufer, dem Doppelalbum Out of the Blue, ebenfalls - und praktisch alle haben sich in den Spitzenrängen der Charts platzieren können. Der Discovery-Smashhit „Don’t bring me down“ war so lange und so erfolgreich in der WDR-Schlagerralley vertreten, dass er die Jahreshitparade der Sendung sowohl 1979, als auch 1980 deutlich anführte. In den Folgejahren gelang es der Band diesen Erfolg auf leicht reduziertem Niveau fortzusetzen.
So wirft es ein etwas merkwürdiges Licht auf diese Best of, dass nur ein Stück von Discovery auf ihr vertreten ist und dieses Stück auch noch das jüngste der ausgewählten Stücke ist. Hier schlägt sich eine sehr subjektive Betrachtung des Werkes des Electric Light Orchesters nieder, die die späteren Werke der Band als zu kommerziell abtut. Jeff Lynne selber soll den Namen des 1979er Albums später abwertend als „Disco-very" betont haben, was mindestens völlig überzogen ist.
Ein Gang durch die Geschichte
Mr. Blue Sky ist also nicht das very Best of the electric Light Orchestra, sondern eine Reise durch die frühen Jahre der Band, die endet als sie ihren kommerziellen Höhepunkt erreicht, bzw. im Blick hat, diesen aber nicht betritt. Wir schreiten diese Reise kurz historisch ab. Am Anfang steht die „10538 Overture” vom 1972er Debütalbum. Noch recht unentschieden probiert die Band, die von der Größe her mit ihren Streichern tatsächlich eher ein Orchester war, ihre Melange von klassischen und modernen Ansätzen aus. Das Album ELO 2 (1973) wird schlicht ignoriert - völlig unverständlich. Denn mit „Roll over Beethoven“ findet sich hier der erste große Hit der Band, der bis heute regelmäßig in Airplay-Listen zu finden ist und die Klassik-Modern Melange mit heißem Rock’n’Roll Sound pflegt. Eine der Adrenalin-haltigsten Nummern der Band überhaupt.
Noch im gleichen Jahr erscheint „On the third Day, das hier mit „Showdown“ berücksichtigt wird, erneut ein Stück mit sehr starkem Streicheranteil, das mit seinem symphonischen Charakter deutlich erkennen lässt, dass das ELO auf seinem Weg ein gutes Stück weiter gekommen ist. Das folgende Album Eldorado (1974) kenne ich nicht. Aber wenn die blasse Ballade „Can't get it out of my Head” wirklich das Highlight davon sein sollte, habe ich nicht viel verpasst.
Face the Music (1975) ist die wohl deutlichste Zäsur in der Geschichte der Band. Man lässt die Klassik weitgehend hinter sich. Das bleibende Erbe, das sie eingebracht hat, sind die Streicher, die bei wenigen Rock- und Pop-Bands so sehr zur Substanz gehören und wesentlich mehr sind, als Politur im Arrangement. Ab jetzt ist die hohe Gesangstimme von Jeff Lynne einer der dominierenden Faktoren im Gesamtsound der Band. Das ruhige „Strange Magic“ ist genau das, ein magischer Sound, der fremdartig, spacig überirdisch wirkt - und die Science Fiction Ästhetik, die seit dem Artwork von Out of the Blue untrennbar mit dem ELO verbunden ist, bereits akustisch vorweg nimmt. „Evil Woman“ war ein weiterer Hit für die Band. Ebenfalls eine überragende fremdartige Atmosphäre, die trotz des Instrumentariums eher futuristisch, als klassisch wirkt.
Spätestens nach A new World (1976) war das Electric Light Orchester als Hitfabrik etabliert. Mit „Telephone Line” und dem schmissigen „Livin' Thing” wirft das Album erneut zwei große Hit-Singles ab. Das recht raue „Do ya“ ist einer der beim ELO immer wieder auftretende Blick zurück in die Kindertage der modernen Pop-Musik. Hier werden mal wieder die 50’s lebendig.
Und jetzt geht’s mit dem Doppeldecker Out of the Blue (1977) ab durch die Decke. Der kraftvolle Rocker „Tirn to Stone“ packt nicht nur einfach, sondern fasziniert durch die grandiosen Breaks, die in immer wieder neue Atmosphären führen. Fantastisch. Das gilt ebenso für die Kurzsymphonie „Mr. Blue Sky“, die dieser Compilation völlig zu Recht als Titel dient, eine absolutes Genre Highlight, bei dem das ELO seine Streicher-Kompetenz souverän ausspielt. Eine Perle aus einem Album, von dem fast jedes Stück die Qualität hätte, um auf einer Best of zu erscheinen. Das gilt im noch stärkeren Maße für Discovery (1979) - hier wie gesagt nur mit „Don’t bring me down“ vertreten.
Da startet ein lockender Drum Groove. Die Gitarre steigt ein. Dann die Vocals mit viel Rock’n’Roll Feeling. Und dann geht es ab. Immer wieder Breaks, viele liebevoll eingebaute Details. Ein Refrain, der in die Ohren geht. Besser kann man Progressive Pop nicht buchstabieren.
ZUm Abschluß gibt es mit dem unveröffentlichten „Point of no Return“ noch einen wertigen Bonus oben drauf. Für Fans lohnt sich das Stück, das in keiner Weise nach Ausschuss klingt, der einstmals zu Recht außen vor blieb. Leider gibt das Booklet keine Auskunft darüber, aus welcher Phase der Bandgeschichte das Stück stammt. Es würde zu allen Scheiben ab Face the Music passen.
Bewertung
Lässt man die Tatsache einmal außeracht, dass auf dieser Best of ein großer und wichtiger Teil der Band-Geschichte fehlt, hat man ein großartiges und vielfältiges Album vor sich, das nur einen einzigen Ausfall verzeichnet.
Dargeboten wird es in einem edlen Hardcover Digipack mit Prägedruck. Das eingeheftete Booklet enthält alle Texte. Liner Notes enthält es praktisch nicht; nur ein paar Geleitworte eines gewissen David Wild. Und die überraschen dann doch.
Mr. Blue Sky; The very best of the electric Light Orchestra ist gar keine reine Best of, sondern ein Album, das Neueinspielungen(!) der ELO-Klassiker enthält. Ich muss sagen, davon habe ich nichts gemerkt.
Mr. Blue Sky; The very best of the electric Light Orchestra ist eigentlich auch gar kein ELO-Album, sondern eine echte Jeff Lynne Solo-Scheibe, auf der er fast alles selbst eingespielt hat.
Da man davon aber nichts hört, ist das Album vor allem für ELO-Novizen eine tolle, stilvolle Gelegenheit diese Band kennen zu lernen. Wer danach angefixt ist, sollte sich aber unbedingt auch mit den ELO-alben der 80er Jahre befassen.
An Jeff Lynne geht die klare Mahnung eine zweite Folge folgen zu lassen, die unbedingt noch einmal bei Discovery, um die 80er Jahre des ELO zu präsentieren.
Trackliste
1 | Mr. Blue Sky | 3:44 |
2 | Evil Woman | 4:30 |
3 | Strange Magic | 3:53 |
4 | Don't bring me down | 4:01 |
5 | Turn to Stone | 3:46 |
6 | Showdown | 4:16 |
7 | Telephone Line | 4:30 |
8 | Livin' Thing | 3:42 |
9 | Do ya | 3:56 |
10 | Can't get it out of my Head | 4:35 |
11 | 10538 Overture (40th Anniversary) | 4:43 |
12 | Point of no Return (unreleased) | 3:15 |
Besetzung
Marc Mann (Streicher, Mini Moog <5>)
Laura Lynne (Voc <2,3,6,8>)
Steve Jay (Perc)
Ryan Ulyate (Piano Solo <2>)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |