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L´oracolo in Messina
Info
Musikrichtung:
Barockoper
VÖ: 21.9.2012 (Virgin Classics / EMI / 2 CD / 2012, live / Best. Nr. 5099960254726) Gesamtspielzeit: 157:00 Internet: Europa Galante |
VIERFRUCHTMARMELADE
Einen kecken Etikettenschwindel betreibt das Label, wenn es L´oracolo in Messina als Vivaldi-Oper vermarktet. Es vollzieht allerdings damit nur nach, was auch 1737 schon geschah: Richtig und vollständig müsste die Komponistenbezeichnung nämlich „Giacomelli/Vivaldi/Broschi/Hasse“ lauten und zwar genau in dieser Reihenfolge. Dies hat auch seinen Grund, musste Vivaldi, nachdem er Ferrara auf erzbischöflichen Befehl nicht mehr betreten durfte, doch 1737 binnen eines Monats ersatzweise eine ganze Opernsaison in Venedig aus dem Boden stampfen. In der Not griff er u.a. auf ein altbekanntes Libretto zurück, das zuletzt in der Vertonung durch Geminiano Giacomelli 1734 großen Publikumserfolg erzielt hatte. Doch wieso sich nur auf den Text beschränken, wenn doch auch die Musik gefallen hatte? Beherzt und damals noch ohne das Damoklesschwert des Urheberrechts über sich übernahm Vivaldi gleich ganze Teile aus dem Werk des Kollegen. Nicht weniger als dreizehn Arien stammen aus Giacomellis Feder, nur zehn von Vivaldi selbst. Diese wiederum konzipierte er nicht neu, sondern entlehnte sie aus anderen eigenen Werken. Fix noch zwei koloraturlastige Zirksunummern von Broschi und Hasse hinzugefügt, fertig war das Pasticcio.
So üblich das Verfahren damals war, so merkwürdig nimmt sich das Resultat heute aus. Die Synthese ist nämlich alles andere als bruchlos. Immerhin kann man auf diese Weise nicht nur die stilistischen, sondern auch die qualitativen Unterschiede kennenlernen. Viele der Giacomelli Arien sind, vor allem in der Instrumentalbegleitung und in ihrer Berechenbarkeit, Barockarien von der Stange. Keineswegs ungefällig zwar, aber eben auch nicht von solchem Gehalt und solcher Haltbarkeitsdauer, wie bei Vivaldi selbst. Den schien das aber wenig zu stören. Er plante sogar, in Wien, der letzten Station seines unsteten Lebens, just diese Oper - die er noch einmal umgearbeitet hatte - den adligen Gönnern zu präsentieren. Der Plan scheiterte, da Kaiser Karl VI. starb, Theater und Opern im Reich geschlossen wurden und Vivaldi selbst kurz darauf völlig verarmt in Wien verstarb. Erst posthum gelangte seiner Wiener Version 1742 zur Aufführung und der Dirigent Fabio Biondi belebte sie an gleicher Stelle 2012 wieder.
Die im Rahmen des Resonanzen Festivals mitgeschnittene Live-Aufnahme zeigt ein spielfreudiges Orchester Europa Galante, das mit kühnem Schwung und durchaus auch humorvoll an die Partitur herangeht. Sängerisch brillieren vor allem Ann Hallenberg, Vivica Genaux und Romina Basso, deren Mezzostimmen durchaus unterscheidbar bleiben, wenngleich Basso und Genaux ein ähnlich warmes, dem Ohr schmeichelndes Timbre aufweisen. Nicht ganz mithalten können die Herren der Schöpfung: Magnus Staveland überzeichnet den König Polifonte bewusst karikaturenhaft, aber mit nicht immer ganz sauberer Linienführung, der Counter Xavier Sabata kämpft mit einigen Intonationstrübungen. Franziska Gottwald hingegen schlägt sich, zumal in der auf Hasse zurückgehenden, wahrhaft halsbecherischen Arie „Nell´orror die notte oscura“ äußert wacker.
Insgesamt wird also auf einem Niveau musiziert, das bisweilen über die künstlerische Qualität und den Repertoirewert der Oper hinausragt.
Sven Kerkhoff
Trackliste
Opera in musica RV 726
(Rekonstruktion der Wiener Fassung von 1742)
Libretto von Apostolo Zeno
Besetzung
Ann Hallenberg, Mezzosporan: Merope
Vivica Genaux, Mezzosopran: Epitide
Romina Basso, Mezzopsopran: Elmira
Julia Lezhneva, Sopran: Traismede
Franziska Gottwald, Mezzosoparn: Licisco
Xavier Sabata, Countertenor: Anassandro
Europa Galante
Fabio Biondi: Ltg.
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |