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Reviews

Mercadante, S. (Parry)

Emma d´Antiochia


Info

Musikrichtung: Oper / Romantik

VÖ: 01.06.2004

Opera Rara / Note 1 (3 CDs DDD (AD: 2003) / Best. Nr. ORC26)

Gesamtspielzeit: 163:21

Internet:

Opera Rara

ITALIENISCHE OPERNROMANTIK AT ITS BEST

Was könnte es schöneres geben: Ein tugendsames Liebespaar, unglücklich vor Jahren getrennt, das sich zwar wieder findet, aber durch die äußeren Umstände nicht mehr zusammenkommen kann; eine enttäuschte Ehefrau, die erkennen muß, dass ihr Gatte in Wahrheit immer noch seine frühere Freundin liebt; Ritter und Edeldamen; eine empörte beste Freundin; Gefängnis und Vergebung; schließlich ein Doppel-Selbstmord und allgemeine Verzweiflung.
Klingt nach Talkshow? Nun, was uns die Talkshow, das war dem Publikum in früheren Zeiten die Oper. Und so konnte es um 1830 gar nicht tragisch und herzerweichend genug auf der Bühne zugehen. Dabei war eine sinnvolle Handlung weit weniger wichtig, als das Evozieren starker Gefühle.

Ein Komponist, der es blendend verstand, ein entsprechendes (hier im 12. Jahrhundert spielendes) Libretto effektvoll umzusetzen, war Saverio Mercadante (1795-1870). Seine Musik klingt bisweilen, despektierlich gesagt, als hätten Bellini und Donizetti sich zusammengesetzt, eine Linie Koks geschnupft und dann komponiert: Ständig befindet sich alles in Hochspannung, das Füllhorn der Emotionen wird einem dauernden Wechselbade gleich ausgeschüttet.
Wie in der italienischen Oper des 19. Jahrhunderts üblich, geht das nicht ohne sängerische Höchstleistungen und virtuose Kunststückchen ab. Auf die Bühne bringen kann man ein solches Werk heutzutage kaum noch, aber als CD-Produktion hat es durchaus seinen Reiz. Dabei sei nicht verschwiegen, dass Mercadantes Dauer-Hysterie schon eine gewisse Bereitschaft zum Mit-Leiden abverlangt und nichts für schwache Nerven oder stille Stunden ist. Eine Neigung zur Lärmigkeit und zur übertriebenen Geste ist dem Komponisten nunmal eigen.

Dass aber auch dies alles gefällig dargeboten werden kann, beweist David Parry, der sich für das Label Opera Rara ein weiteres Mal um die Neueinspielung einer Mercadante-Oper verdient macht. Er heizt seinem London Philharmonic Orchestra gehörig ein, treibt es aber dennoch nicht blindlings, sondern sehr differenziert durch die umfangreiche Partitur.
In der Titelrolle zeigt die 1952 in Rumänien geborene Nelly Miricioiu, dass sie nichts verlernt hat. Auch wenn sie manchen Spitzenton weise umgeht, gemahnt die Strahl- und Ausdruckskraft ihrer Koloraturen, sowie ihre Stimmfarbe doch immer noch ein wenig an die Callas. Unermüdlich steigert sie sich in die Tragik der Figur der Emma hinein und gibt ihr ein lebendiges, ganz und gar menschliches Antlitz. Ihren Geliebten Ruggiero verkörpert Bruce Ford zwar technisch souverän, aber mit einer häufig zu eng und eindimensional wirkenden Tenorstimme. Hier wäre es vielleicht angebracht gewesen, einmal nicht auf eine bewährte Kraft zurückzugreifen. Eine gute Leistung liefern Roberto Serville, Maria Costanza Nocentini und vor allem Colin Lee in den von Umfang her deutlich kleineren, aber durchaus diffizilen Partien des Corrada, der Adelia und des Aladino ab.
Der kraftvolle, gut disponierte Geoffrey Mitchell Choir rundet den positiven Gesamteindruck ab.

Die in der Londoner Henry Wood Hall entstandene Aufnahme ist mit einem leicht stumpfen Klangbild versehen, dem eine größere Tiefenschärfe und Staffelung gut getan hätte. Andererseits wartet sie aber mit so großer Lebendigkeit auf, dass man darüber gerne hinwegsieht bzw. -hört.
Das liebevoll gestaltete, detailreiche Booklet bietet auf 156 (!) Seiten alles, was man über das Werk wissen muß, einschließlich des Librettos samt englischsprachiger Übersetzung.

Für eingefleischte Liebhaber der italienische Oper des 19. Jahrhunderts ist diese luxuriöse Opernbox ein Muß!



Sven Kerkhoff

Besetzung

Nelly Miricioiu, Sopran - Emma
Roberto Servile, Bariton - Corrado di Monferrato
Bruce Ford, Tenor - Ruggiero
Maria Costanza Nocentini, Sopran - Adelia
Colin Lee, Tenor - Aladino
Rebecca von Lipinski, Sopran - Odetta

Geoffrey Mitchell Choir
London Philharmonic Orchetsra

Ltg. David Parry
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