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Reviews

Stravinsky, I. (Bosc)

Les Noces (Vers. 1919 und 1923)


Info

Musikrichtung: Klassische Moderne Ensemble

VÖ: 20.04.2012

(Radio France / Harmonia Mundi / SACD / 2011 / Best. Nr. FRF012)

Gesamtspielzeit: 37:14

UHRWERKARTIGE PRÄZISION

Hatte Igor Stravinsky 1917 für die erste Version seiner Ballett-Kantate Les Noces noch ein Riesenorchester vorgesehen, so hat er diese Kräfte dann später stark reduziert. Vorliegende Produktion koppelt die fragmentarische Zwischenfassung von 1919 mit der endgültigen Version aus dem Jahr 1923.

In der 2. Version sind neben Solisten und Chor ein Ensemble aus zwei Cymbalums, Pianola, Harmonium und zweifachem Schlagwerk vorgesehen. Beim Pianola handelt es sich um ein Selbstspielklavier, das mit Lochstreifen (heute Midi) gesteuert wird. Im Ganzen war das zu kompliziert in der Realisierung und wohl auch unbefriedigend hinsichtlich der Klangbalance, und so hat Stravinsky diese Version nicht vollendet den Instrumentalpart später einer „konventionelleren“ Besetzung anvertraut.
Vier Klaviere und sechs Schlagzeuger verleihen der Musik in der Endfassung von 1923 aber eine immer noch ausgesprochen exotisches Farbigkeit. Der Drive, den die ineinandergreifenden Ensembles erzeugen, die raffinierten rhythmischen Überlagerungen, die nicht einfach monoton abschnurren, sondern reich gegliedert sind, halten das Werk in steter Spannung. Dazu kommt ein archaischer Ton, der sich bis in die fremdartigen, „alt-russischen“ Ornamente der Vokalpartien bemerkbar macht. Die Modernität der Musik wurzelt also tief in der Vergangenheit.

René Bosc betont diese Modernität aber eher durch eine überaus geschliffene Wiedergabe, die das uhrwerkartige Innenleben der Musik im größter Klarheit und Präzision offenlegt. Die Vorschläge des eröffnenden Sopransolos z. B. werden geradezu buchstabiert, was sie weniger folkloristisch denn abstrakt erscheinen lässt. Dieser Ansatz wirkt recht trocken und statisch. Zum Vergleich erlebe man einmal die Ekstase, die Daniel Reuss mit dem RIAS Kammerchor und der MusikFabrik NRW entfesselt (s. Rezension)! Aber die Genauigkeit, mit der vom Choeur de Radio France und einem Instrumentalensemble die „Tänze“ und „Prozesse“ durch die scharf gezeichnete Artikulation und feinst timbrierten Klangfarben versinnlicht werden, hat eine eigene Qualität. Überdies gemahnt dieser Ansatz an die ja durchaus mechanische Konzeption der Urfassung. Im Ganzen eine aufschlussreiche Ergänzung.
Das Programm ist mit rund 35 Minuten Spielzeit recht knapp. Kaum mehr als eine Zugabe ist die Étude pour pianola. Da wäre auch noch Platz für die früheste Orchesterfassung von Stravinskys Ballett gewesen, was aber wohl den aufführungstechnischen Rahmen dieser Produktion gesprengt hätte.
Das umfangreiche Booklet huldigt vor allem den Künstlern, insbesondere Bosc, und bietet nur eine kurzen Kommentar zum eingespielten Werk.



Georg Henkel

Trackliste

01-04 Les Noces 1923 24:14
05-06 Les Noces 1919 10:32
07 Étude pour pianola 1917 2:28

Besetzung

Virginie Pesch: Sopran
Katalin Varkonyi: Alt
Pierre Vaello: Tenor
Vincen Menez: Bass

Choeur de Radio France

Réne Bosc: Leitung und Midi-Programmierung der Pianolas
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger