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Hameln Anno 1284. Auf den Spuren des Rattenfängers
Info
Musikrichtung:
Mittelalter Instrumental
VÖ: 01.05.2012 (Christophorus / Note 1 / CD / DDD / 2011 / Best. Nr. CHR 77359) Gesamtspielzeit: 58:42 |
ZAUBERFLÖTE
Die berühmte Legende vom Rattenfänger von Hameln hat einen wahren Kern: Es war offenbar ein flötenspielender Werber, der am Johannistag 1284 männliche Jugendliche für die Ostkolonisation anwarb und aus Hameln weg in die neuen Siedlungsgebiete im heutigen Ostdeutschland führte. Später wurde diese Werbergestalt mit der Figur eines dämonisch anmutenden Musikers mit Querpfeife (festulator) verbunden, der nicht nur die Ratten, sondern nach Verweigerung des ausgehandelten Lohnes gleich alle Kinder mit magischen Tönen aus der Stadt lockte.
Und um die Wiederentdeckung dieses magischen Flötentons geht es auch Norbert Rodenkirchen. Dabei konzentrierte er sich in der Hauptsache auf Minnesang-Melodien von einem gewissen Wizlaw III. von Rügen sowie altslawische Melodien und Tänze. Vor allem letztere klingen wirklich exotisch und brechen aus dem mittelalterlichen Tonsystem aus. Außerdem erklingen die mittelalterlichen Querpfeifen, die Rodenkirchen benutzt, in der reinen pythagoräischen Stimmung. Einige der modalen Melodien muten da fast wie indische Ragas an, ein Eindruck, der durch die eigentümlichen Ornamente verstärkt wird. Der hauchige, obertönige Flötenton lässt einen an japanische Bambusflöten denken. Und besondere alte Spieltechniken wie das in Ungarn verbreitete gleichzeitige Hineinblasen und -summen in die Flöte erinnern an Klangexperimente der Neuen Musik (in diesem Fall klingt es fast wie eine Ringmodulation à la Stockhausen ...). All dies trägt zu einer ganz eigenen Atmosphäre des Geheimnisvollen bei, die selbst unsere allerhand gewöhnten modernen Ohren auf die archaischen und numinosen Wurzeln des Flötenspiels verweist.
Man hört das Ferne und Fremde aus dieser Musik heraus und kann sich gut vorstellen, dass solche Klänge auch damals schon die Lust auf Abenteuer und Neugier auf andere Länder geweckt haben. Eine Sehnsucht nach dem Neuen, Anderen, das jenseits des Bekannten liegt. Nicht umsonst heißt ein zentrales Stück auf der Platte „eyne senende wise“ oder „senende claghe“.
Norbert Rodenkirchen beschränkt sich allerdings nicht nur auf die reine historische Rekonstruktion dieser ‚Sehnsuchts-Musik‘, sondern versteht sein Projekt als freie künstlerische Aneignung. Gesteigert wird die magische Wirkung der Musik noch durch den Einsatz von Symphonia, Fidel, Psalterium, Laute und Schlagzeug. Letzteres macht aus dem Flötenspieler fast schon einen Schamanen. Dank dieser CD kann man etwas von dem unheimlichen, aber auch betörenden Zauber erahnen, den der legendäre Rattenfänger mit seinem Instrument beschworen haben mag ...
Georg Henkel
Besetzung
Guiseppe Paolo Cecere: Symphonia, Fidel, Psalterium, Laute
Wolfgang Reithofer: Schlagzeug
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |