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Arien und Szenen aus Belcanto-Opern
Info
Musikrichtung:
Belcanto
VÖ: 01.05.2004 Challenge / Note 1 CD DDD (AD 1985-1989) / Best. Nr. CC 72073 Gesamtspielzeit: 74:30 |
BEKEHRUNG ZUM BELCANTO
Es sind solche Recitals, die einen zur Oper des Belcanto bekehren können. Diese späte Erbin virtuoser barocker Vokalkünste vom Anfang des 19. Jahrhunderts ist im 20. Jahrhundert vor allem durch Maria Callas aus ihrem hundertjährigen Dornröschenschlaf erweckt worden. Mit dem hochdramatischen, veristischen - mit Verlaub - Schrei-Gesang, wie er sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert etabliert hat, hat die hochentwickelte Kunst des „Schön-Gesangs“ nicht viel zu tun: Belcanto meint höchste Anforderungen an die Beweglichkeit Stimme, die über Triller, Kaskaden und leichtgängige chromatische Skalen ebenso gebieten muß wie über einen schier unendlichen Atem, um die weitschwingenden Melodiebögen ausformen zu können. Ausdruck wird hier immer noch vornehmlich über die stilisierte, ausdrucksvolle Form transportiert, ohne sich dabei im virtuos-mechanischen Klingeln zu erschöpfen. Allein mit schönen Tönen haucht man dieser diffizilen Kunst kein dramatisches Leben ein.
Die gebürtige Rumänin Nelly Miricioiu steht hörbar in jener Tradition, die mit der Callas wiederbelebt wurde. Sie beherrscht nicht nur die hohe Schule belcantistischer Techniken, sie setzt sie auch mit großer gestalterischer Intelligenz ein: Die psychologische Situation wird genau erfaßt, die Stimmfarbe stets auf die Bedeutung der Worte abgestimmt, der Vortrag bewegt durch seine Intensität. Daß Miricioius Timbre gelegentlich an die Stimmfarbe der Callas erinnert, ist dabei irritierend und faszinierend zugleich. Seltsam, daß dieses bemerkenswerte Talent offenbar nie von den großen Klassikproduzenten wahrgenommen wurde; die Leistungen mancher ihrer hochvermarkteten Kolleginnen reichen an die Kunst Miricioius nicht heran.
Bei der aktuellen Produktion handelt es sich um eine Wiederveröffentlichung von Aufnahmen, die von Mitte bis Ende der 80er Jahre im Amsterdamer Concertgebouw entstanden sind und die reichen lyrischen und dramatischen Möglichkeiten der Sängerin eindrücklich präsentieren. In Einspielungen aus jüngerer Zeit ist die Stimme zwar hörbar reifer geworden, hat aber nichts von ihrer Ausstrahlung verloren.
Daß die Männerstimmen da in der Regel immer noch nicht ganz mithalten können und das Orchesterspiel unter den diversen Dirigenten eher solide denn inspiriert klingt, macht Nelly Miricioiu ebenso vergessen wie die etwas unausgewogene Akustik.
Georg Henkel
Trackliste
1 | Rossini „Tancredi“: Di mia vita infelice | 10:38 |
2 | Rossini „Tancredi“: Giusto Dio | 8:05 |
3 | Rossini „Armida“: Dove son io | 7:41 |
4 | Boito „Mefistofele“: Akt III | 20:58 |
5 | Donizetti „Anna Bolena“: Chi può vederla | 27:08 |
Besetzung
Helene Schneiderman, Mezzo-Sopran
Piero Visconti – Gregroy Kunde – James Doing, Tenor
Mark Glanville, Baß
Kammerorcherster des niederländischen Rundfunks
Chor des niederländischen Rundfunks
Ltg.: Kenneth Montgomery, Claudio Scimone, Sergiu Comissiona
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |