····· Wolvespirit verkaufen Bullshit ····· Rock of Ages - Zusatzshows in 2025 ····· Ally Venable veröffentlicht Video zur neuen Single „Do you cry“ ····· Das zweite Album von Wizrd kommt zum Nikolaus ····· 40 Jahre Helloween - Das muss gefeiert werden ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Reviews

Couperin, F. (Rannou)

Werke für Cembalo


Info

Musikrichtung: Cembalo

VÖ: 01.05.2004

Zig Zag Territories / Note 1
2 CD DDD (AD 2003) / Best. Nr. ZZT 040401


Gesamtspielzeit: 134:43

DIE KUNST DER BERÜHRUNG

Die Kunst der Berührung - das meint im Fall der Cembalowerke von François Couperin (1668-1733) zweierlei: Zunächst bedeutete dem Komponisten die emotionale Berührung durch Musik mehr als jenes Staunen, das sich durch musikalische Überraschungen einstellt.
Nicht, das Couperin keine originelle Musik geschrieben hätte. Aber er investierte seine Kunst weniger in äußere Effekte und rauschende Virtuosität, als in die Beschwörung von Stimmungen, Atmosphären und malerischen Wirkungen. All dies steht im Dienst von ebenso subtilen wie ergreifenden Charakterstudien und musikalischen Mini-Dramen. Nicht selten komponierte Couperin regelrechte Porträts der höfischen Gesellschaft, die mal verklärend, mal entlarvend geraten, dabei stets von Mitgefühl getragen sind. Pathetisches und Tragisches klingt an, wenn in der Musik Gestalten wie die vor Eifersucht Wortkarge oder die (vor Zorn oder Verzweiflung?) Finstere erscheinen. Anderes verbindet sich mit Satire und Karikatur, z. B. wenn in die Jahre gekommene lüsterne Galane aufs Korn genommen werden. Melancholie leuchtet hingegen in vordergründig verspielten Stücken wie den Dominos auf. In den bunten, zweifarbigen Kostümen, auf die sich der Titel bezieht, stecken eben nicht nur fröhliche Charaktere.
So sprechend Couperins Titel, so vieldeutig ist häufig der musikalische Inhalt. Bei „L’Amphibie“ liegt das in der Natur der Sache. Das der Komponist hier die strenge Variationenfolge einer Passacaglia gewählt hat, vertieft das Rätsel eher noch.

Wie wichtig dem Komponisten ein differenzierter Ausdruck war, verraten Spielanweisungen wie „schmachtend“, „schmerzlich“, „stolz, nicht schleppend“ oder „grotesk“. Dass der starre Cembaloklang von Natur aus eher ungeeignet ist, um solche Feinheiten zu artikulieren, war Couperin sehr wohl bewußt. Wie kaum ein anderer vermochte er aber, die Möglichkeiten dieses Instruments (z. B. die Registerfarben) zu nutzen und dessen Grenzen durch sorgfältige Klangmodulationen vergessen zu machen.
Womit wir bei der zweiten Bedeutung von „Berührung“ wären: Im Titel seines Cembalolehrbuch l’Art de Toucher le Clavecin klingt die Bedeutung der „richtigen Tastenberührung“ für ein empfindungsvolles Spiel bereits an. In den acht Präludien, die Couperin diesem Lehrbuch mitgegeben hat, wird die „Kunst der Brührung“ bzw. die Kunst des Anschlags dann in die Praxis überführt. Es geht um die Fähigkeit, den Klang zwischen Bewegung in Stillstand in der Schwebe zu halten. Durch geschickt angebrachte Verzierungen wird der statische Cembalo-Ton in Schwingungen versetzt und dem Hörer eine virtuelle Dynamik vorgegaukelt. Kaum merkliche Verzögerungen und Beschleunigungen des musikalischen Flusses wiederum erwecken den Eindruck von Sanglichkeit.

DIE KUNST DER ZWISCHENTÖNE: BLANDINE RANNOU

Die Cembalistin Balandine Rannou hat die acht Präludien aus l’Art de Toucher le Clavecin zum Aufhänger für ihren Querschnitt durch das sehr umfangreiche Cembalo-Oeuvre Couperins genommen. Aus den 27 Ordres (Suiten) seiner vier Bücher (die in einer Gesamteinspielung etwa 11 Stunden Musik ergeben!) hat sie eine repräsentative Auswahl getroffen, anhand derer sie ihre Kunst des „berührenden“ Anschlags vorführen kann. Dass dabei Stücke aus dem 3. und 4. Buch dominieren, ist nur konsequent: Gegenüber den klassischen Tanzstücken (und auch davon gibt es in den Ordres eine große Zahl) treten die Charakterstücke hier noch einmal deutlich in den Vordergrund. Dabei erreicht Couperin gerade in seinen späten Stücken eine wunderbare Leichtigkeit und Transparenz, die eine entsprechende Anschlagskultur verlangt.

Balandine Rannou erweist sich wie schon in ihren vorherigen Einspielungen bei Zig-Zag-Territories (eine Gesamteinspielung von Werken J. P. Rameaus, die englischen und französischen Suiten von J. S. Bach) als wahre Meisterin der „Berührung". Sie verfügt über ein schier unerschöpfliches Repertoire an Artikulations- und Ausdrucksmöglichkeiten und bringt ihrem Instrument je nachdem das Tanzen, Sprechen oder Singen bei. Ausgesprochen plastisch gewinnt so das „Personal“ der Couperinschen Cembalominiaturen vor den Ohren des Hörers Gestalt. Bei allem Gespür für die notwendigen Kontraste und spannungsvolle Gestaltung wahrt Rannou dabei stets einen eleganten Ton. Verglichen mit ihrem Kollegen Christophe Rousset, der eine eindrucksvolle Gesamteinspielung aller vier Bücher bei harmonia mundi vorgelegt hat (wobei Blandine Rannou bei den Concerts Royaux am 2. Cembalo mitwirkte!), ist ihr Spiel weicher, empfindsamer, was besonders den versonnenen und elegischen Stücken zu Gute kommt.
Ansonsten liegen die Unterschiede mehr in den phantasievollen Details, z. B. den Verzierungen, mit denen Rannou die Irrenden Schatten in schwereloser Bewegung hält oder dem Lautenzug, der den Vergnügungen klangfarbliche Tiefenschärfe verleiht.
Mit dem ausgezeichnet klingenden Nachbau eines Cembalos von Ruckers-Hemsch (1636, erweitert 1763) steht ihr ein in jeder Hinsicht geeignetes Instrument zur Verfügung.



Georg Henkel

Trackliste

CD 1 68:34
CD 2 66:09

1er Prélude, La ténébreuse (3e ordre), Les regrets (3e ordre), La Lugubre (3e ordre), La Favorite (3e ordre)

2e Prélude, Les Calotins et les Calotines (19e ordre), L'artiste (19e ordre), Les Culbutes Ixcxbxnxs (19e ordre), La Muse-Plantine (19e ordre)

3e Prélude, La Chazé (7e ordre), Les Amusemens (7e ordre), La Menetou (7e ordre)

4e Prélude, L'Audacieuse (23e ordre), L'Arlequine (23e ordre), Les Satires, Chèvre-pieds (23e ordre), Le Turbulent (18e ordre), L'Attendrissante (18e ordre), Le Tic-Toc-Choc ou les Maillotins (18e ordre)

5e Prélude, La Régente ou la Minerve (15e ordre), L'Amphibie (24e ordre)

6e Prélude, L'exquise (27e ordre), Les Chinois (27e ordre), Saillie (27e ordre), Les Folies Françaises ou les Dominos (13e ordre)

7e Prélude, La Bersan (6e ordre), Les Baricades Mistérieuses (6e ordre), La Visionnaire (25e ordre)

8e Prélude,La Reine des cœurs (21e ordre), La Bondissante (21e ordre), La Couperin (21e ordre), La superbe ou la Forqueray (17e ordre)

Besetzung

Blandine Rannou, Cembalo nach Ruckers-Hemsch
Zurück zum Review-Archiv
 


So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger