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Requiem – Appartitions – San Francisco Polyphony
Info
Musikrichtung:
Neue Musik Chor / Orchester
VÖ: 01.10.2011 (BMC Records / Codaex / CD & Super Audio DVD / live 2008-2009 / Best. Nr. BMC CD 166) Gesamtspielzeit: 49:16 |
FULMINANTE TOTENMESSE
Das von 1963-67 entstandene Requiem gehört zu den Hauptwerken György Ligetis, nicht nur wegen der kongenialen Verwandlung eines alten liturgischen Textes in Musik, sondern auch, weil die wesentlichen musikalischen Visionen des Komponisten hier in konzentriertester Form im Querschnitt präsentiert werden: mikropolyphone Klangraumusik im Introitus und Kyrie, rasiermesserscharfe und rhythmisch differenzierte, dabei stets bildmächtige Vokal- und Orchestereruptionen im Dies Irae, zarte harmonisch-melodische Echos im kammermusikalisch gewobenen Lacrimosa.
Die suggestive Kraft der vielfach überlagerten Stimmverschlingungen im Kyrie ist so groß, dass Stanley Kubrik Teile davon ohne das Wissen des Komponisten für die Filmmusik zu „2001 - A Space Odyssee“ verwendet hat.
Das gut 25 Minuten dauernde Werk liegt nun in einer neuen, jüngst preisgekrönten Referenzeinspielung vor. Die Produktion, ein Livemitschnitt aus der Kölner Philharmonie mit dem WDR-Sinfoniorchester und -Rundfunkchor Köln sowie dem SWR Vokalensemble unter Peter Eötvös, vereinigt die Qualitäten der alten Wergo-Einspielung von 1968 und der jüngeren Warner-CD, die im Rahmen des Ligeti-Projekts 2003 erschienen ist. Kennzeichnet die frühere Einspielung ein famoser Chor und eher mäßiges Orchesterspiel, so bietet die spätere Aufnahme ein insgesamt ausgeglicheneres Bild, ohne die klangliche Wucht der analogen Ersteinspielung zu erreichen.
Jetzt stimmt beides: der Klang, den man sowohl auf CD wie auch auf der Bonus-Audio-DVD vernehmen kann, ist kraftvoll und präsent bei sehr guter Staffelung der Klangruppen. Eötvös sorgt für eine sehr konzentrierte Darbietung, bei der die Klangströme des Kyrie ebenso gut zur Geltung kommen wie die Exaltationen des Dies Irae. Chor und Orchester meistern die hochschwierigen Partien souverän, alles klingt organisch und doch im nötigen Maß durchhörbar. Großartig auch die beiden Solistinnen Barbara Hannigan und Susan Parry. Vor allem das flammende Organ von Hannigan bringt noch eine zusätzliche Dramatik in das per se wilde Treiben des Dies Irae hinein.
Zwei weitere Stücke runden das Programm zu einem Ligeti-Porträt: Die frühen Apparitions von 1958/59 enthalten mit ihrem Wechsel von zarten Klanggeweben und schockartigen Episoden viele Ideen, die Ligeti in den folgenden Jahren konsequent weiterverfolgen sollte. Und die 1973-74 komponierte San Francisco Polyphony demonstriert die gewonnene Souveränität bei der Integration ausgesprochen melodischen Materials, wobei die vielschichtige Musik hier strudelt, strömt und wirbelt wie bei einer Wildwasserfahrt. Auch diese Einspielungen sind gelungen - aber der Coup dieser CD bleibt die fulminante Wiedergabe des Requiems.
Georg Henkel
Trackliste
05-06 Apparitions
07 San Francisco Polyphony
Besetzung
Susan Parry: Mezzosopran
WDR Sinfonieorchester Köln
WDR Rundfunkchor Köln
SWR Vokalensemble Stuttgart
Peter Eötvös: Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |