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Reviews

Diverse Klavier (Lang Lang)

Lang Lang live at Carnegie Hall


Info

Musikrichtung: Klavier

VÖ: 24.05.2004

Deutsche Grammophon / Universal
2 SACD hybrid (AD 2003) / Best. Nr. 474 875-2


Gesamtspielzeit: 97:33

Internet:

Lang Lang
Klassik Akzente
Lang Lang Recital

„SOLD OUT“: LANG LANGS CARNEGIE DEBUT BEI DER DG

Der Mythos der Carnegie Hall lebt. Dabei stand das berühmte Konzerthaus im vergangenen Jahrhundert schon einmal kurz vor dem Abriss. Heute würde niemand wagen, auch nur daran zu denken. Nach wie vor ist es für einen Künstler etwas besonderes, hier aufzutreten. Und nach wie vor ist es etwas ganz besonderes, wenn es sich bei diesem Auftritt um die Carnegie-Premiere handelt.
Am 7. November 2003 gab der chinesische Pianist Lang Lang hier vor ausverkauftem Haus sein Debut. Die Deutsche Grammophon, bei der der Künstler seit kurzem exklusiv unter Vertrag ist, hat das Konzert mitgeschnitten und nun auf 2 SACD hybrid veröffentlicht. Die Lobeshymnen, die Lang Lang vorauseilen, klingen nicht nur erstaunlich einhellig, sie sparen auch nicht an Superlativen. Dieser Live-Mitschnitt ist da natürlich sehr willkommen, um sich ein Bild von Lang Langs Qualitäten zu machen.

Ob es sich um Werke von Schumann, Haydn, Schubert, Chopin, Lizt oder des zeitgenössischen Komponisten Dan Tun handelt: Mit sicherem Gespür fühlt sich der 22jährige in die Klangwelt der verschiedenen Formen und Stile ein und gibt der Musik mit ebenso virtuoser wie empfindungsvoller Pianstik genau das, was sie braucht. Robert Schumanns Abbeg-Variationen betreten bei Lang Lang fast beiläufig den Raum, um dann mit hinreißendem Spielwitz und Charme den Hörer zu verzaubern. Langs glasklares, perlendes Spiel ist hier von einer bewundernswerten Perfektion, ohne dass die Poesie darüber verloren ginge. Alles klingt hier kinderleicht und verspielt, die dazu nötige Fingerfertigkeit drängt sich aber nie in den Vordergrund.
Auch bei dichten Texturen und kraftvoller Dynamik bleibt sein Spiel luzide und auf faszinierende Weise intim. Davon profitiert auch ein Stück wie Joseph Haydns notorische Sonate C-Dur, Hob XVI:50, der Lang mit seiner phantasievollen und differenzierten Anschlagskultur die schönsten Details entlockt.
Sehr schön ausgehört ist auch Franz Schuberts Wanderer-Fantasie D 760, obwohl sich der aktive, „romantisierende“ Steinway-Klang hier mehr in den Vordergrund drängt als bei der „abstrakteren“ Haydn-Sonate. Nicht weniger überzeugend gelingen das Nocturne op. 27, Nr. 2 von Frederic Chopin oder ein fingerbrecherischer Brocken von Franz List, in diesem Fall die in ihren endlosen virtuosen Steigerungen fast schon parodistischen Reminiscences du Don Juan de Mozart, S. 418.
Bei den Acht Erinnerungen in Aquarellfarben aus dem Jahren 1978/79 von Langs Landmann Tan Dun (*1957) handelt es sich dagegen um eine sehr gemäßigte Moderne, die asiatische Klanganmutungen mit impressionistischem Farbenspiel verbindet - für Langs Geläufigkeit und subtile Anschlagskunst ist diese Musik wie geschaffen. Eigentlich scheint nur eine der drei Zugaben, Schumanns Träumerei überinterpretiert - beim Versuch, diesem Stück noch irgendwelche neue Seiten zu entlocken, stößt der Interpret dann doch irgendwann an die Grenzen der Musik.

Die exzellente Klangtechnik trägt das ihre dazu bei, jede Nuance von Langs Spiel aus der Carnegie Hall ins heimische Wohnzimmer zu transportieren. Der Applaus zu Beginn und zwischen den Stücken bildet zwar das „Live-Erlebnis“ ab, ist aber auf einer DVD angebrachter; beim Nur-Hören stört das eher (es sei denn, man möchte via Surround-Sound virtuell in der Carnegie Hall sitzen).

Mit seiner unkomplizierten, liebenswürdigen Art, die gestandene Konzertbesucher ebenso anspricht wie Kinder und Jugendliche (um die sich der Künstler besonders bemüht) könnte Lang Lang in der Tat zu einer Hoffnungsfigur in der klassischen Musik werden.
Das Marketing schwankt bei der Kreation des unvermeidlichen Images etwas unentschieden zwischen „klassischem“ Pianisten, Junge-von-nebenan-Pose und Pop-Star. Damit spiegelt es trefflich die Bemühungen der verunsicherten Klassikbranche, jenseits der etablierten Hörerschichten auch ein junges Publikum anzusprechen und die Musik aus dem vermeintlich „elitären Ghetto“ herauszuholen.
Das ist vielleicht hilfreich, aber das stärkste Argument für die klassische Musik ist in diesem Fall - abgesehen von der Musik selbst - schlicht und einfach das Spiel von Lang Lang.



Georg Henkel

Trackliste

SACD 1
01 Applaus 00:26
02 Schumann: Abegg-Variationen 08:19
03-05 Haydn: Sonate C-Dur 15:10
06-09 Schubert: Wanderer-Fantasie 22:50
10-17 Tan Dun: Acht Erinnerungen in Aquarellfarben 14:57

SACD 2
01 Chopin: Nocturne D-Moll 06:42
02 Liszt: Réminiscences du Don Juan de Mozart 16:22
03 Schumann: Träumerei 04:11
04 Horses (m. Lang Guo-ren, chinesische Geige erhu) 02:51
05 Listz: Liebestraum 05:45
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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
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