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Reviews

Bedrossian, F. (Diverse)

Manifesto


Info


HITZIGE COOLNESS

Der Titel dieser Anthologie mit aktuellen Kompositionen des französischen Komponisten Franck Bedrossian (Jg. 1971) ist durchaus im Sinne einer ästhetischen Standortbestimmung zu verstehen: Manifesto. Was kann nach all den ausgetüfftelten musikalischen Experimenten des 20. Jahrhunderts noch kommen? Bedrossian demonstriert in seiner Musik einen bewussten Umgang mit den Errungenschaften der Vergangenheit: Vernehmbar ist die Klangenergie eines Edgar Varèse, die durch die Geräuschwelten der Lachenmann´schen „musique concrète instrumentale“ ebenso wie durch die analytische Sinnlichkeit der Spektralisten hindurchgegangen ist und sich überdies nicht scheut, die Gesten des Free Jazz mitaufzunehmen. Das Spiel an der Grenze von Klang und Geräusch, das im Hinblick auf die „Saturation“ (Farbsättigung) auf die Spitze getrieben wird, charakterisiert alle der hier versammelten Stücke.

Es handelt sich um sechs kammermusikalische Konzentrate. Das längste, das Septett It, dauert knapp 15 Minuten, das kürzeste, eine etudenhafte Studie für Altsaxophon, kaum mehr als sechs. Bedrossians Klangwelten sind abstrakt und selbstreferentiell: Der Sound ist der Sound ist der Sound; das Klangmaterial wird ausgestellt und gleichsam skulptural durchgearbeitet. Poetische Assoziationen sind zwar nicht ausgeschlossen. Dennoch spürt man, dass Bedrossian wenig an metaphysischen Spekulationen gelegen ist.
Irisierende, wie von Raureif überzogene Klangflächen und vibrierende Texturen fügen sich zu oft nervös flackernden Konstruktionen und Volumen, die sich ständig verändern. Reminiszenzen an konkretere Gestalten - z. B. den Jazz - werden ironisierend eingeflochten und transformiert. Im Ergebnis kann das spinnwebzart oder mineralisch hart herüberkommen. Manchmal deutet sich ein abstrakter Expressionismus an, wie z. B. in den wilden gestoßenen Attacken des Manifesto-Septetts oder den wilden Jagden der ausgeblichenen „Schattenspuren“, in denen sich das Streichquartett Tracés d’ombres bewegt.
Gläserne, wie schockgefroren wirkende Farben dominieren zu Beginn das Akkordeonstück Bossa nova, das sich im weiteren Verlauf aber auch befremdliche, organisch-animalisch anmutende tiefe Klänge erobert. Mit einem regelrechten Eklat beginnt Propaganda für Saxophonquartett und Elektronik: aggressiv und schneidend, fauchend und eruptiv gibt sich die Musik - und zugleich scheint das Stück wieder von eben jenem kalten Feuer erfüllt, das auch die übrigen Kompositionen durchglüht.
Die hitzige Coolness von Bedrossians Stil stößt trotz der unterschiedlichen Besetzungen und Klangentfaltungen aber auch an Grenzen: Bei aller formalen Unterschiedenheit wirken sämtliche Werke auf dieser CD in ihrer Betonung von scharfen Texturen und Timbres wie unterschiedliche Ausarbeitungen ein und desselben Stücks. Tontechnisch und interpretatorisch bleiben dabei jedoch keine Wünsche offen.



Georg Henkel

Besetzung

Ensemble 2e2m
Pierre-Stéphane Meugé: Saxophon
Pascal Content: Akkordeon
Quatuor Habanera

Pierre Roullier: Leitung
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger