Reviews
Symphonie Nr. 1 / Klavierkonzert
Info
Musikrichtung:
Neue Musik
VÖ: 02.02.2004 Naxos / Naxos American Classics CD DDD (AD 2002) / Best. Nr. 8.559151 Gesamtspielzeit: 62:31 |
AMERICAN CLASSIC
Mit 95 Jahren ist der Amerikaner Eliott Carter (*1908) immer noch ein aktiver Komponist. 2003 wurde seine erste Oper uraufgeführt! Thema: ein Autounfall. Nun, gut Ding will bekanntlich Weile haben. Bei Carter hat es eben 80 Jahre gebraucht.
Das vielfältige Schaffen dieses Komponisten in einer einzigen Aufnahme darstellen zu wollen, ist natürlich utopisch. Doch spannen die drei in dieser Produktion versammelten Werke zumindest einen repräsentativen Bogen vom frühen, „populären“ Carter aus den 40er Jahren bis hin zur hochkomplexen Partitur seines Klavierkonzerts von 1964/65. Obschon stilistische Welten zwischen den Stücken liegen, scheinen sie in der direkten Konfrontation nicht unvereinbar. Allen drei gemeinsam ist ein gewissermaßen feinnerviger Zug, eine schillernde Farbigkeit der Orchestrierung und die Lust, musikalische Abläufe gegen den Strich zu bürsten, sei es durch rhythmische Komplexität, sei es durch Vielschichtigkeit.
Vielschichtigkeit kennzeichnet bereits die triumphale Holyday Overture von 1944. Komponiert auf einen Sieg der Alliierten über die deutsche Wehrmacht, strotz sie geradezu vor Übermut. Man vernimmt, gleichsam aus der Ferne, Anklänge an Gershwin, aber auch Charles Ives, der Meister der Simultanmusik, scheint hin und wieder vorbeizuschauen. Expansiver und durch die beiden ruhigen Eingangssätze im Ausdruck auch differenzierter gibt sich dagegen die Symphony No. 1. An der Oberfläche sind beide Werke leicht fassbar, untergründig gärt es: da verschieben sich Rhythmen und Stimmführung, da prallen die eigentümlich entwicklungslosen Themen auf- und gegeneinander.
Die hier immer wieder aufblitzenden Spannungen und Verwerfungen werden im Klavierkonzert zum Prinzip erhoben - herausgekommen ist das, was man sich als unbedarfter Hörer wohl gemeinhin unter Neuer Musik vorstellt: Die Faktur ist derart zerklüftet, dass der Hörer zunächst keine Orientierung findet. Bei flüchtigem Hinhören droht Beliebigkeit. Erst nach und nach schälen sich die einzelnen Schichten und Blöcke heraus. Der Eindruck von Gespaltenheit stellt sich dann auch nicht von ungefähr ein, ist das Werk doch ein musikalischer Reflex auf den Bau der Berliner Mauer. Doch auch ohne dieses Hintergrundwissen kann man einen Zugang zur Musik finden: Man stelle sich das flimmernde Lichtermeer einer amerikanischen Großstadt vor, bei einer Fahrt auf dem Hiqhway.
Die überdichte Polyphony verbindet sich mit wirbelnder Virtuosität, die insbesondere dem Pianisten (heroisch: Mark Wait), aber auch diversen Mitspielern des Orchesters einiges abverlangt. Doch das Nashville Symphony Orchestra musiziert diese Musik selbst im heiklen Klavierkonzert unangestrengt, natürlich und - wo nötig - mit dem nötigen Drive.
Leider mangelt es dem Klangbild etwas an Brillanz.
Georg Henkel
Trackliste
02-04 Symphony No. 1 (1942, rev. 1654) 29:05
05-06 Piano Concerto (1964-65) 23:46
Besetzung
Nashville Symphony Orchestra
Ltg. Kenneth Schermerhorn
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |