Reviews

Patti Smith

Trampin'

Info Musikrichtung: Rock / Folk VÖ: 26.04.2004 (Columbia / Sony) Gesamtspielzeit: 63:37 Internet: http://www.pattismith.net

Hoffentlich dauert die zweite Karriere der Patti Smith länger als die erste. Vier Alben damals, vier Alben nun seit Gone Again (1996). Die End-Achtziger Platte Dream of Life mal ausgenommen.
"Trampin'" klingt aber kaum danach, dass Patti Smith der Musik müde werden sollte. Vielmehr ist es eines ihrer besten Werke:
Zusammen mit einer handvoll Musikern, unter anderem den Langzeitpartnern Lenny Kaye (git) und Jay Dee Daugherty (dr), die schon damals bei der Patti Smith Group spielten, hat die Künstlerin ein musikalisch erfrischendes Album eingespielt, das durchaus ungewohnte Momente enthält (etwa die Performance des Spirituals "Trampin").
Stilistisch breit gefächert, gibt es auf der Platte sowohl Tonpoeme (die an ihre 70er Großtaten reichen) als auch Songs. Die Letzteren bisweilen sogar folkig angehaucht.

Überhaupt scheint die Musikerin einen optimalen Mittelweg gefunden zu haben, der den Hörer emotional berührt aber nicht überfordert und immer fasziniert statt langweilt.
So ist die Platte zu gleichen Teilen persönlich ("My Blakean Year", "Mother Rose") und politisch ("Radio Baghdad"), hymnisch ("Jubilee"), intim (das nur von ihrer Tochter am Piano begleitete "Trampin'"), Rock ("Stride of The Mind") und Folk ("Peaceable Kingdom").

Die Texte sind auf gewohnt hohem Niveau, wenngleich sich unter ihnen ein paar echte Perlen befinden. Etwa "My Blakean Year" mit Zeilen wie
"Boots that tramped from track to track/ Worn down to the sole/ One road was paved with gold/ One road was just a road."

Selbst die Anklage von "Radio Baghdad", einem 12-minütigen verstörenden Song, der die US-Politik im Mittleren Osten thematisiert, ist weniger Moralpredigt als zynischer Kommentar und durchaus textlich elegant verarbeitet, mit ein paar extrem berührenden Momenten:
"We invented the zero - the perfect number/ But we mean nothing to you"

In "Jubliee" fordert Smith "Let freedom ring" wie das Martin Luther King getan hat und man will ihr zustimmen, trotz aller naiveté. Aber dieser Song ist nur der Anfang eines Albums mit einer durchaus realistischen Weltsicht, mit einer vielleicht weiseren Patti Smith, die jedenfalls ihren Weg gefunden hat und hoffentlich noch viele Songs und Alben dieser Qualität herausbringen wird.

Einziger Schwachpunkt ist, damit auch dies gesagt wird, dass das Digipak kein Booklet enthält, und demnach keine Texte. Aber die finden sich zum Glück auf der (gut gemachten) Website der Künstlerin, www.pattismith.net. (.com ist die Homepage einer anderen Patti Smith, einer durchaus kurios anmutenden Immobilienmaklerin)

Alles in allem ein Triumph.

Daniel Syrovy