Kaledon

Legend Of The Forgotten Reign Chapter VII: Evil Awakens


Info
Musikrichtung: Power Metal

VÖ: 23.09.2022

(Beyond The Storm )

Gesamtspielzeit: 50:38

Internet:

http://www.kaledon.com


Die Fantasy-Geschichte „Legend Of The Forgotten Reign“, die Kaledon-Chefdenker Alex Mele zu Zeiten der Bandgründung kurz vor der Jahrtausendwende ersann, sah eine Umsetzung in sechs Kapiteln vor, und ebenjene erblickten dann auch zwischen 2002 und 2010 das Licht des Tonträgermarktes, bevor sich Mele entschloß, mit einer Best Of namens Mightiest Hits Rückschau zu halten, aber dafür die älteren Songs mit der weiland aktuellen Besetzung neu einzuspielen. 2012, 2013 und 2017 erschienen drei weitere Alben, die in der gleichen Welt spielen und die Figuren Altor, Antillius und Carnagus in den jeweiligen Mittelpunkt stellten. Nun, anno 2022, geht allerdings die Hauptsaga weiter, und obwohl sich der Nichtkenner des früheren Materials fragen könnte, warum das Böse erst jetzt, in Teil 7, erwacht und wer denn dann früher der Antagonist war, so beantwortet die im Inneren des Digipacks abgedruckte Story doch so manche Frage, auch was den Anschluß an das frühere Geschehen angeht, obwohl der Schmied Altor und der frühere Antagonist Carnagus dort nicht auftauchen und auch Antillius, der König des Lichts, mittlerweile tot ist. Dessen Nachfolger Daeniel hat sich mit dem Antagonisten Mozul herumzuschlagen, der eigentlich im vorigen Teil der Geschichte besiegt worden war, aber einen Klon in die Schlacht geschickt hatte und schnell ein neues Heer Untoter sammelt, womit er die Einwohner von Kaledon mitten in ihren Siegesfeiern überrascht und letztlich nur durch die magischen Fähigkeiten Daeniels endgültig vernichtet werden kann, was aber auch diesen die Existenz kostet. Neuer König wird der bisherige Heerführer Martin, aber der letzte Satz der Story deutet an, dass auch diesem kein friedlicher Wiederaufbau vergönnt sein wird.
So ein Konzept kann man natürlich nur mit bestimmten Arten von Musik sinnvoll umsetzen, und da Kaledon in Italien siedeln, verwundert es auch den Uneingeweihten kaum, dass das Mittel ihrer Wahl der Italometal althergebrachter Tradition ist. Der Rezensent hat die ersten fünf Teile der Legende im Schrank, aber schon jahrelang nicht mehr gehört und daher zumindest mal den ersten wieder aus den Lautsprechern ertönen lassen, sich zugleich köstlich über das herrlich mißglückte Coverartwork amüsierend. Musikalisch originell waren Kaledon schon 2002 nicht und sind es 2022 noch immer nicht, aber dass sie wissen, was sie da tun, das wurde weiland schon beim Debüt deutlich – schließlich hatten Mele und diverse seiner Mitstreiter bereits mit River Of Change erste Erfahrungen in diesem Genre gesammelt (Where Reality Cannot Enter müßte man auch mal wieder in den Player werfen ...), und so spielen sie noch 2022 souverän herunter, was die Klaviatur des Stils so hergibt. Das dramatische Intro „Renascentia Noctis“ geht in den enorm druckvollen Opener „At The Gates Of The Realm“ über, der an der Grenze zum Thrash kratzt, diese aber nicht überschreitet und zugleich einen sehr melodischen und eingängigen Refrain verpaßt bekommen hat. Natürlich zaubern die Beteiligten auch gleich an ihren Instrumenten und duellieren sich im Solobereich, wie es sich für guten Italometal gehört, Keyboarder Paolo Campitelli beschränkt sich durchaus nicht auf Orchestertürme und Hammondorgeln, sondern läßt auch ein paar modernere Sounds einfließen, und im Gesangsbereich bekommt der in angenehmer mäßiger Höhe singende Michele Guaitoli (manchem sicher von Visions Of Atlantis bekannt) nicht nur chorische Unterstützung vom Ottava Pop Choir (der sitzt auch in Italien und nicht etwa in Kanada), sondern auch noch James Mills von Hostile als Gast zur Seite gestellt, der für die herben Growls und Shouts zuständig ist, laut Digipack allerdings nur im folgenden „A Strike From The Unknown“ zu hören sei – wenn Guaitoli das im Opener alles selber macht, verfügt er über ein recht breites Spektrum an vokalen Ausdrucksmöglichkeiten. Von der Stimmfärbung seines Hauptareals her erinnert er übrigens ein wenig an Glynn Morgan von Threshold, und so verwundert es nicht, wenn man beispielsweise „Life Or Death“ auch als angethrashte Version von Threshold beschreiben könnte. Generell fällt der im Riffing oftmals recht herbe Gitarrensound auf, den Mele und sein Kompagnon Tommy Nemesio, als einziges weiteres Mitglied der aktuellen Besetzung schon seit Debützeiten an Bord, pflegen, in den Leads aber überwiegend auf einen wärmeren Ton setzend. Temposeitig liegt das Gros des Materials im oberen Bereich, aber mit ziemlich großer Vielfalt, die hier und da freilich, wie das im neuzeitlichen Metal nicht selten ist, etwas zu Lasten der stringenten Songarchitektur geht, wobei Kaledon intelligent genug sind, vielerorts auf wiedererkennbare Motive zu setzen und vor allem diverse Refrains so auszuarbeiten, dass man sie ohne große Probleme im Hirn behalten und auch mitsingen kann, etwa mit einem großen Männerchor in „End Of Time“. Passenderweise sind die Refrains im Booklet auch mit Großbuchstaben hervorgehoben, weil Kaledon natürlich um den geschilderten Umstand wissen. Zur Überraschung hätte „Emperor Of The Night“ geraten können, hebt dieser Song doch mit feierlichem orgeluntersetztem Epic Doom an und mündet dann in eine Akustikballade – bald aber macht sich wieder der typische Italospeed breit, und nur das Finale holt den Doompart nochmal nach vorn, der durchaus auch das Zeug gehabt hätte, als Grundidee für einen ganzen Song zu dienen. So wird halt „nur“ guter Standard draus.
„Guter Standard“ ist auch ein gutes Stichwort für die Gesamteinschätzung. An Sound wie sonstigen technischen Komponenten gibt es erwartungsgemäß nichts auszusetzen, das amorphe Monster auf dem Cover mutet professioneller an als das auf dem Debütcover, verfehlt aber dessen naiven Charme – und überhaupt ist das Album ein eher reifes Zeugnis des Stils, das freilich immer noch Steigerungsmöglichkeiten offenläßt, wie das etwas arg unprätentiöse Ende deutlich macht – und das, obwohl man in „The Story Comes To An End“ sogar kompetente weibliche Vokalunterstützung von Nicoletta Rosellini bekommt. Wie dieser Albumcloser eigentlich heißt, da sind sich der Digipack mit obenstehender Variante und das Booklet mit „The Story Comes To An End..?“ übrigens uneins. Anhand des Cliffhangers in der Geschichte dürfte die letztere Variante eine größere Wahrscheinlichkeit besitzen, und dem Nachfolger ist zu wünschen, dass er im Dramatikfaktor eher den vorderen drei Vierteln des siebenten Teils entspricht und nicht dem hinteren Viertel, dem etwas die Luft ausgeht. Trotzdem macht man als Genrefreund mit dem Erwerb nichts falsch, und wie erwähnt sollten auch Freunde von Threshold, die sich die Übersetzung des Stils ihrer Lieblinge in angethrashten Italometal vorstellen können, hier mal reinhören.

PS: Noch ein Kuriosum: Die Mitgliederfotos im Booklet haben keine Beschriftung, weder die Einzelbilder noch das Komplettbandfoto. Zu sehen sind auf letzterem sechs Personen, und es gibt auch sechs Einzelbilder. Der Mensch auf S. 6/7 taucht auf dem Komplettbandfoto auf S. 8/9 indes gar nicht auf, dafür aber ein anderer – oder er hat sich zwischen den beiden (zeitlich offenbar nahe beieinanderliegenden) Fotosessions ziemlich stark verändert ...



Roland Ludwig



Trackliste
1Renascentia Noctis1:44
2At The Gates Of The Realms4:09
3A Strike From The Unknown4:45
4The Eye Of The Storm4:47
5Emperor Of The Night7:24
6The Dawn Of Dawns5:31
7Life Or Death4:07
8The End Of Time3:34
9Blessed With Glory4:17
10The Sacrifice Of The King4:59
11The Story Comes To An End..?4:58
Besetzung

Michele Guaitoli (Voc)
Alex Mele (Git)
Tommy Nemesio (Git)
Paolo Campitelli (Keys)
Enrico Sandri (B)
Manuele Di Ascenzo (Dr)



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