Hasse, J. A. (Petrou)
Siroe
MODERNISIERT
Die ursprüngliche Fassung seiner Oper seria "Siroe" schrieb Hasse schon 1733, doch holte er das Stück drei Jahrzehnte später wieder aus der Schublade und überarbeitet es umfassend. Diese zweite Version ist auf der Einspielung bei Decca zu hören. Und sie überrascht in manchen Punkten: Hasse - einst Europas erfolgreichster Opernkomponist, aber heute eher als barocker Vielschreiber und Langweiler verschrien - zeigt sich hier keineswegs als trockener Konservativer, sondern als ein Musiker, der die Zeichen der Zeit früh erkannt hatte und frühklassische Einflüsse in seine Kompositionen zu integrieren verstand. Daraus entsteht eine interessante Mischung, denn traditionelle Formen werden hier schon einmal mit neuen, simplifizierten Melodielinien und instrumentalen Finessen gekreuzt. Allerdings fällt auch auf, dass Hasse sich weitgehend vom barocken Affekttheater gelöst, das Tor zur psycholgischen Figurendeutung aber noch nicht aufgestoßen hat. Die technisch raffinierten Arien nehmen auf die emotionalen Zustände der Personen kaum noch Rücksicht, ja, oft bilden sie diese noch nicht einmal mehr ansatzweise ab. Der Stoff dient nur mehr als Folie für ein Feuerwerk virtuoser Arien und sängerischer Kunststückchen. Das wirkt mal auf erheiternde Weise sinnentleert, mal anstrengend und zeigt vielleicht gerade dadurch, wie die Barockoper an ihr Ende kam.
Nichtdestotrotz ist das Werk damit präsdestiniert, große Stimmkunst erlebbar zu machen und dem wird diese Produktion dann auch vollauf gerecht. Die Titelrolle, die Koproduzent Max Emanuel Cencic selbst übernommen hat, gibt dabei noch am wenigsten her, denn die Arien des Siroe sind in einer vergleichsweise tiefen Stimmlage angesiedelt und am wenigsten von Zierrat überwuchert. Cencic versteht es dennoch, der Figur mit einem guten Schuß Aggressivität Plastizität zu verleihen. Echte `Rampensau`-Qualitäten beweist einmal mehr Franco Fagioli, dem auch noch die verrücktesten Koloraturen hörbar Spaß machen und dessen Stimme ein erstaunliches Mezzotimbre aufweist. Julia Lezhneva ist ein strahlende Laodice, die mit vollkommen vibratofreien Verzierungen, herrlichen Pianissimo-Passagen und einem betörend goldbronzenen Ton bis in die höchsten Höhen aufwartet. Als Entdeckung darf zudem Mary-Ellen Nesi gelten, die die Rolle der Emira mit großer Klarheit und Durchsetzungskraft versieht.
Das Orchester Armonia Atenea spielt unter der Leitung von George Petrou recht druckvolle und agil. Manchmal hätte man sich an Stelle dessen aber auch ein Mehr an gelassener Geschmeidigkeit und tänzerischer Leichtigkeit vorstellen können.
Insgesamt eine absolut hörenswerte Produktion auf hohem Niveau. Fragwürdig bleibt allein die Entscheidung, im zweiten Akt eine Arie aus einer anderen Hasse-Oper und ein weitere aus einem Bühnenwerk von Graun einzuschieben. Das ist dramaturgisch wenig schlüssig, wenngleich der Wunsch, Cencic und Nesi noch etwas mehr Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, durchaus verständlich sein mag.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
Hasse: Siroe, Re di Persia (Dresdner Fassung, 1763)
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Besetzung |
Juan Sancho: Cosroe
Max Emanuel Cencic: Siroe
Franco Fagioli: Medarse
Mary-Ellen Nesi: Emira
Julia Lezhneva: Laodice
Lauren Snouffer: Arasse
Armonia Atenea
George Petrou: Ltg.
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