Nihiling beginnen ein neues Kapitel…
|
Eine Band bittet um Spenden, um ihr neues Album zu finanzieren, da es ansonsten an dieser finanziellen Hürde scheitern würde. Auch die Hamburger Nihiling machten für ihre dritte Platte von dem System Crowdfunding Gebrauch, das heute schon fast etwas Selbstverständliches ist. Und das mit Erfolg. Glücklicherweise. Denn ansonsten wäre der Musikwelt vielleicht dieses Kleinod entgangen. Ganz selbstbewusst trägt das Werk nur den Namen der Band, die sich darauf äußerst selbstbewusst und nicht nur personell, sondern auch musikalisch runderneuert präsentiert. Das eng gefasste Korsett Postrock ist der mittlerweile zum Quartett geschrumpften Gruppe etwas zu eng geworden. Noch mehr als bei den ersten beiden Alben M(e)iosis und Egophagus (2011) scheint hier die freigeistige Herangehensweise durch. Abermals ist Nihiling ein feines Stück Musik gelungen. Grund genug, um der Band ein paar Fragen dazu zu stellen, die auch prompt gerne beantwortet wurden.
In den letzten Jahren seit Egophagus war es ziemlich still um Nihiling. Warum seid ihr so lange abgetaucht?
Um ehrlich zu sein, war die Stimmung in der Band schon bei den Aufnahmen zur Egophagus irgendwie angespannt. Das hatte auch damit zu tun, dass wir damals dachten, wir müssten schnell einen Nachfolger für die M(e)iosis machen. Nach dem Album gab es dann Phasen, in denen einfach wenig passiert ist. Das hängt auch mit den Besetzungswechseln in der Band zusammen.
Stimmt, ihr seid mittlerweile nur noch zu viert. Mit Gitarrist Marco habt ihr zudem einen neuen Mann mit dabei. Hat sich das auch auf die Musik ausgewirkt?
Ja. Das hört man schon deutlich auf der neuen Platte. Der Input ist ein anderer.
Ist es schwierig die Begeisterung von Musikern am Laufen zu halten, wenn es längere Phasen des Stillstandes in einer Band gibt? Von der Zeit eures ersten Albums sind nur noch Alexandra (Gesang, Bass) und Gorka (Gesang, Gitarre) übrig.
Ja. Wir haben zum Glück trotzdem nie gedacht, dass die Band bald nicht mehr existieren könnte. Bei Nihiling gab es öfter neue Mitglieder. Das hat sich aber nie wie das Ende der Band angefühlt, sondern immer wie ein neuer Anfang.
Das dritte Nihiling-Album trägt ganz selbstbewusst nur den Bandnamen. Oftmals machen Gruppen damit eine neue Standortbestimmung klar. Ist das auch bei euch ähnlich - der Start eines neuen Kapitels?
Wir haben jetzt das Gefühl, dass wir die vier Menschen sind, die zur Band Nihiling gehören. Das ist tatsächlich ein neues Gefühl, so sicher waren wir uns vorher nicht. Also ja, es ist ein neues Kapitel, musikalisch und auch menschlich.
Stilistisch wurdet ihr immer ins Fach „Postrock“ abgelegt. Ein Genre das eigentlich keines sein möchte, im Endeffekt aber doch eines mit zahlreichen Bands die auf gewisse Weise, wenn nicht gleich, dann zumindest ähnlich klingen. Mittlerweile passt diese Zuordnung meiner Meinung nach nicht mehr. War diese Schublade immer ein kleiner Hemmschuh für euch und habt ihr euch bewusst frei davon gemacht?
Nicht wirklich. Den Schuh haben wir uns selber nie angezogen. Klar, die Musik kann man als Postrock klassifizieren. Da Postrock für uns aber kein festgelegtes Genre ist, sondern eher eine bestimmte Einstellung zur Musik, und zwar die, experimentieren zu wollen und Grenzen auszuloten, kann das für uns keine Hemmschwelle sein.
Die neue Platte klingt anders als die letzten beiden. In meinen Ohren wie ein geradliniger, angenehmer Fluss ohne allzu krasse Untiefen oder Ausbrüche. Dazu von einer gewissen Leichtigkeit beseelt. Und in Sachen Instrumentarium scheinen Tastentöne und elektronische Bestandteile eine gewichtigere Rolle zu spielen. Eine bewusste Entscheidung oder entwickelte sich das einer spielerischen Laune heraus?
In unserer neuen Konstellation hat sich das einfach so entwickelt. Was wir jetzt machen und wie Nihiling jetzt klingen, ist, was wir zusammen machen wollen und können.
Wie hält man sich stets selbst künstlerisch interessant und entgeht der Gefahr der Wiederholung?
Sich Zeit nehmen und ehrlich sein, zu sich selbst und zueinander. Man muss seine Musik nicht mathematisch berechnen, aber immer die gleichen Dinge wiederkäuen ist wahrscheinlich keine gute Idee.
Während die Texte des letzten Nihiling-Albums einem klaren Konzept folgten, klingen die neuen so wie das Artwork wirkt: eher abstrakt. Liegt trotzdem ein gewisser roter Faden dahinter? Wie wichtig sind die Worte dieses Mal?
Stimmen sind für uns vor allem weitere Instrumente. Wir haben keine genau definierten Inhalte. Das ist eher so, dass wir etwas sehen in den Songs. Wie ein Film, der im Kopf abläuft. Dass der genaue Wortlaut wichtig ist, glauben wir aber nicht.
Die Stücke des neuen Albums klingen recht komplex. Ließ sich das bei der Aufnahme im Studio unter Livebedingen problemlos realisieren?
Wir haben tatsächlich alles live aufgenommen. Es gab also schon vorher den Sound und wir können die Songs bei Konzerten genau so wieder geben. Alles, was zu hören ist, wird live bedient.
Seht ihr euch als Band mittlerweile dann mehr als Soundtüftler oder lebt ihr trotzdem auch für die Bühne?
Macht beides gleich viel Spaß. Wir geben uns beiden Dingen gerne hin.
Statt einer kleinen Labelunterstützung habt ihr im Vorfeld Gebrauch von Crowdfunding gemacht. Wie empfandet ihr diesen Aufwand - musstet ihr viele „Klinken putzen“? Ich kann mir vorstellen, dass es für eine Band in eurer Größenordnung vielleicht nicht ganz einfach war - nicht jeder ist eine Amanda Palmer. Ist das auch ein Weg, den ihr anderen Musikern empfehlen würdet, gerade für Newcomer?
Für uns hat das System Crowdfunding tatsächlich etwas Wegweisendes. Wir haben um etwas gebeten. Wie „Klinken putzen“ hat sich das nicht angefühlt, eher wie eine Zusammenarbeit, mit Menschen die uns unterstützen wollten. Das war dann auch im Studio total spannend, dass man schon vorher wusste, da warten Menschen darauf, dass wir tatsächlich dieses Album machen. Das ist für sich schon eine große Inspiration. Aus unserer Position Tipps zu geben ist vielleicht nicht so angebracht, Crowdfunding ist eine sehr individuelle Sache. Vielleicht nur das: Man sollte sich vor allem realistische Ziele setzen. Eine Gelddruckmaschine ist so was - zum Glück - nicht. Und da ist es gut genau zu gucken, was man verlangen kann.
Musik auf CDs zu veröffentlichen wird langsam zu einer ziemlich altmodischen Sache. Die „coolen Jungs“ greifen heute entweder digital zu oder holen sich Vinyl ins Haus. Wie haltet ihr es damit? Habt ihr euch bewusst in die Hände von Kapitän Platte begeben, die sich als Label rein für Vinyl-Veröffentlichungen darstellen?
Kapitän Platte haben sich für uns entschieden, nicht umgekehrt. Die Jungs und Mädels haben uns auf einem Konzert angesprochen und ihre Leidenschaft hat uns total überzeugt. Für uns ist es einfach nur eine Ehre, dass wir zur Kapitän-Platte-Familie gehören. Und klar, CDs sind inzwischen irgendwie wie Telefonbücher: braucht fast niemand mehr wirklich.
Hamburg wird immer wieder als interessante Musikstadt gesehen. Fühlen sich Nihiling irgendwie einer dortigen Szene verbunden oder seid ihr frei von jeglichem Szenedenken?
Klar, Hamburg hat so was wie eine Musikszene. Aber von der Hamburger Schule sind wir schon recht weit entfernt. Nee, im Ernst, hier geht einiges und wir sind stolz, ein Teil davon zu sein. Aber das ist auch schwer zu beantworten. Wir machen einfach Musik und gehören deswegen schon mal zu Leuten, die in Hamburg Musik machen, und klar, wir kennen uns oft untereinander und dafür gibt es dann den Begriff „Szene“.
Welche bewussten Pläne verfolgt ihr mit der Band? Gebt ihr euch einfach eurer Kunst hin und schaut was passiert.
Wir geben uns unserer Musik hin und gucken was passiert. Das sagen Bands ständig. Aber es ist so, es geht uns nur darum, zusammen Musik zu machen. Wenn das Leuten gefällt, umso besser.
Vielen Dank für das Interview! Noch irgendwelche letzten Worte?
Wir möchten auch in diesem Rahmen herzlich unseren Crowdfunding-Unterstützern danken!
Mario Karl
|